Welche Stationen haben Sie in Ihrer Karriere durchlaufen und wie sind Sie im Besonderen zur Universität Leipzig gekommen?
Meine sprachwissenschaftliche Wiege stand tatsächlich in der Universität Leipzig. Ich studierte im Studiengang Diplom-Sprachmittler, also Dolmetscher/Übersetzer, und legte, wie damals üblich, das Staatsexamen in zwei gleichberechtigten Arbeitsfremdsprachen ab, jeweils sowohl im Übersetzen in die Fremdsprache und aus der Fremdsprache als auch im Dolmetschen - bilateral in einer Gesprächssituation und unilateral in der Kabine.
Unmittelbar nach dem Studienabschluss begann meine berufliche Karriere als in-house-Dolmetscherin und -Übersetzerin an der TU Dresden. Unser Team übersetzte für Ingenieure, Wissenschaftler und Mitglieder der Universitätsleitung und dolmetschte auf internationalen Konferenzen sowie bei bilateralen Arbeitsgesprächen. Gelegentlich wurden wir auch für Dolmetschaufgaben außerhalb der TU Dresden engagiert. Mein Highlight war ein Backstage-Dolmetscheinsatz anlässlich eines Gastspiels der Royal Shakespeare Company unter der Leitung von Ian McKellen (damals hatte er noch nicht das Gandalf- Image).
Jedoch, einige Jahre nach der Wende fiel auch die in-house-Sprachmittlung an der TU Dresden gedankenlosen Umstrukturierungen zum Opfer. Ich hatte mich zu dieser Zeit bereits fachlich umorientiert, Fortbildungen absolviert und erste berufliche Erfahrungen als Musiktherapeutin gesammelt. In diesem Beruf habe ich dann 7 Jahre in verschiedenen stationären und ambulanten Settings gearbeitet: in der psychosozialen Familientherapie, Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Neurologie und Inneren Medizin. Was zuerst wie ein Abbruch meiner sprachwissenschaftlichen Karriere aussah, erwies sich letztendlich als entscheidender Vorteil für dieselbe, nämlich, als ich 2002 wieder in meinen ersten Beruf zurückkehrte und meine Freiberuflerlaufbahn als Dolmetscherin und Übersetzerin startete. Ich spezialisierte mich bald auf medizinische Übersetzungen, und dabei kamen mir sowohl meine therapeutischen Erfahrungen als auch meine fachlichen Kontakte im medizinischen Bereich zugute. Hart waren die ersten Freiberuflerjahre trotzdem. 2015 begann ich in meiner akademischen Heimat mit der Promotion, deren Thema mir von Anbeginn meiner übersetzerischen Arbeit am Herzen lag - den ersten Vortrag zu diesem Thema vor Fachpublikum hatte ich bereits im November 1989 in Berlin gehalten.
Zu welchem Themenbereich haben Sie an der Uni Leipzig gearbeitet? Wie würden Sie das Thema Ihrer Promotion einer fachfremden Person erklären?
Meine Dissertation befasst sich mit der Analyse von Unstimmigkeiten in medizinischen Quelltexten, also in Texten, die dem Übersetzer zur Übersetzung vorgelegt werden. Wenn ich dieses Thema mit meinen Kollegen oder mit Ärzten diskutiere, gab und gibt es immer viele Fragen, ein Beispiel wäre: „Kann der Übersetzer denn tatsächlich einschätzen, ob ein medizinischer Fachtext falsch ist?“ Eine berechtigte Frage. Es lassen sich viele verschiedene Arten von quelltextlichen Unstimmigkeiten unterscheiden – das Spektrum reicht von fehlenden oder überflüssigen Kommata, Tipp- oder Rechtschreibfehlern, unstimmigen grammatischen Formen oder Satzkonstruktionen bis hin zu tatsächlich fachlich unstimmigen Aussagen.
Allerdings bleibt auch ein medizinisch ausgebildeter, spezialisierter und geschulter Übersetzer immer noch ein medizinischer Laie, der sich zwar das Fachgebiet erschlossen und sich intensiv damit beschäftigt, aber dennoch nicht Medizin studiert hat. Außerdem kann der Übersetzer aus seiner Position heraus, z.B. bei fehlendem Feedback vom Auftraggeber, eben nicht immer eindeutig beurteilen oder ermitteln, ob sich der Textautor tatsächlich geirrt hat, ob es sich um Verständnisschwierigkeiten beim Übersetzer selbst handelt, oder ob andere Gründe vorliegen. Hier sind die fachsprachlichen und fachlichen Kompetenzen des Übersetzers gefragt. In meiner Arbeit zeige ich auf, wie der Übersetzer mit Hilfe seiner fachbezogenen Hintergrundkenntnisse sowie mit Hilfe von Fachexperten aus dem betreffenden medizinischen Bereich besagte Unstimmigkeiten erkennen und adäquat auflösen muss.
Was macht ihr Thema so gesellschaftlich relevant – insbesondere im Hinblick auf aktuelle oder zukünftige Herausforderungen?
Die Öffentlichkeit hat aus begreiflichen Gründen großes Interesse an medizinischen Themen, denn das Wissen um Gesundheit und Krankheit betrifft jeden. Besonders heftig flammt dieses Interesse auf, wenn außergewöhnlichen Ereignissen, wie etwa Katastrophen und Straftaten, die Öffentlichkeit bewegen, so z.B. in Frankreich, wo mehrere onkologische Patienten zu Beginn der 2000er Jahre versehentlich mit zu hohen Dosen bestrahlt wurden und danach Todesfälle und schwere Schädigungen zu beklagen waren. Nach Bekanntwerden der Strahlenunfälle war in einigen Medien vorschnell die Vermutung geäußert worden, dass besagte Behandlungsfehler einer unkorrekten Übersetzung der Bedienungsanleitung anzulasten seien, was sich jedoch nach – jahrelangen - Untersuchungen als falsche Schlussfolgerung erwies.
Welchen Problemen und Hürden begegneten Sie auf dem Weg dahin? Gab es vielleicht auch glückliche Zufälle?
Gleich zu Beginn meiner Promotion legte mir ein Kollege einen Zeitungsartikel auf den Schreibtisch, worin promovierte Wissenschaftler über die Zeit ihrer Promotion berichteten. Heute muss ich zugeben, dass ich viele der darin beschriebenen Erfahrungen ebenfalls machen musste: Arbeit bis weit nach Mitternacht, neben dem Vollzeitjob als Übersetzerin, wenig Freizeit, fachliche Stolpersteine und organisatorische Herausforderungen, einige menschliche Enttäuschungen. Aber es gab auch andere Erfahrungen: das befreiende Gefühl, nach Monaten des Mäanderns endlich einen Stollen gefunden zu haben, durch den sich das Thema weitertreiben ließ; intensive Anteilnahme seitens meiner Familie; fachliche Unterstützung aus linguistischen und medizinischen Kollegenkreisen.
Eine glückliche Fügung sei jedoch auch hiergenannt: Im September 2019 - meine Arbeit lag bereits seit einiger Zeit in der finalen Fassung vor – wurde ich auf der Suche nach einem Zweitgutachter wiederholt in eine Sackgasse geführt. Ich war mental an einem der Tiefpunkte meiner Promotionszeit angekommen und sah einfach keinen Ausweg. An dieser Stelle nahm meine jüngste Tochter, damals Medizinstudentin im 3. Semester, das Heft in die Hand. Mit ihrer Hilfe gelang es, innerhalb von wenigen Stunden, noch dazu an einem Freitagnachmittag, fünf (!) Wissenschaftler von fünf verschiedenen Universitäten zu gewinnen, die bereit waren, sich meiner Arbeit als Zweitgutachter anzunehmen. Einer davon hat das Zweitgutachten dann auch tatsächlich angefertigt.
Welche Zukunftsprojekte verfolgen Sie nun, nach der Promotion?
Ich habe meine Dissertation geschrieben, während ich weiter meinem Vollzeit-Job nachging, das heißt, täglich übersetzen und gelegentlich dolmetschen. Dabei ist mir natürlich auch neues relevantes beziehungsweise auswertbares Textmaterial zugewachsen, das ich beiläufig geordnet und archiviert habe. Dieses Material werde ich nun weiter aufarbeiten und analysieren. Ich bereite dazu bereits eine neue Veröffentlichung im Themenkontext meiner Arbeit (jedoch mit anderem Schwerpunkt) vor, die im medizinischen Umfeld erscheinen soll. Außerdem bin ich seit nunmehr 5 Jahren an einem umfangreichen Übersetzungs- und Editionsprojekt an der Universität Bern beteiligt, das seither erfreulicherweise bereits mehrere „Ableger“ getrieben hat. Diesen Projekten möchte ich mich jetzt intensiver widmen.