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Germanist Maximilian Frankowsky hat in seiner Promotion Komposita analysiert, die aus identischen Wörtern bestehen: Diese sind häufiger als gedacht und scheinen auch ein zunehmendes gesellschaftliches Bedürfnis widerzuspiegeln, prototypische Eigenschaften zu beschreiben.

Komposita, also zusammengesetzte Wörter, sind in unserem Alltag allgegenwärtig. Dass diese jedoch auch im Deutschen nicht ausschließlich aus unterschiedlichen Wörtern zusammengesetzt werden müssen, zeigen Beispiele wie Kindeskind oder Zinseszins. Wie viele Komposita aus identischen Wortstämmen es aber gibt und wie diese Zusammensetzungen funktionieren – diesen Fragen hat sich Maximilian Frankowsky in seiner Promotion gewidmet.

Nach seinem Germanistikstudium in Münster arbeitete er zunächst an der Professur seiner späteren Doktormutter Prof. Dr. Barbara Schlücker an der Universität Bonn. Mit ihrer Berufung auf die Grammatikprofessur der Leipziger Germanistik führte auch der Weg des Doktoranden an unsere Universität. Da seine damalige Freundin und heutige Ehefrau bereits in Leipzig arbeitete, war dieser Schritt auch privat ein Glücksfall für ihn. Hier angekommen, beschäftigte er sich korpusbasiert im Bereich der Komposita- und Reduplikationsforschung mit jenen aus identischen Bestandteilen zusammengesetzten Komposita, auch identical constituent compounds (ICCs) genannt.

Sind Wiederholungen ein Bedürfnis?

Für sein Promotionsprojekt untersuchte Frankowsky große Textsammlungen mit Milliarden von Wörtern. In seiner Arbeit konnte er erstmals drei verschiedene Typen von ICCs unterscheiden und ausgehend davon datenbasiert jeweils ihre Form und Funktion beschreiben. So funktionieren Beispiele wie Fenster-Fenster seinen Ergebnissen zufolge „mehr oder weniger wie ‚normale‘ Komposita“ – es handelt sich hierbei also schlichtweg um ein Fenster an einem Fenster. Anders verhält es sich beim Beispiel Mädchen-Mädchen – Komposita von diesem Typ formulieren etwas besonders Prototypisches, in diesem Fall also ein besonders prototypisches Mädchen. Zu guter Letzt gibt es noch die bisher unerforschte Kategorie von Namen wie Kino-Kino – so z.B. lautet der Titel einer Filmzeitschrift.

Aus typologischer Sicht drängte sich dem Forscher während seiner Recherche die Frage auf, warum sich Wörter im Deutschen zwar sehr gerne mit anderen Wörtern verbinden – aber nur so ungern mit sich selbst. Ein spannender Fakt in dieser Hinsicht ist, dass die meisten Belege von ICCs erst aus den letzten paar Jahren stammen. Er fragte sich deshalb: „Haben die Sprecher:innen des Deutschen plötzlich Lust auf Wiederholungen, etwa weil auch in anderen Lebensbereichen (Kultur, Politik, Medien, …) mehr und mehr kopiert und wiedergekäut wird? Oder dienen die Bildungen womöglich einem Bedürfnis, das schon immer da war, und das sich mit diesen neuen Konstruktionen nun endlich befriedigen lässt?“

Spiegelt dieses Phänomen die zunehmende Polarisierung der Gesellschaft?

Es waren vor allem die prototypisierenden ICCs, die Frankowsky nachhaltig beschäftigten. So wirft ein Beispiel wie Mädchen-Mädchen die sprachphilosophische Frage auf, was denn ein richtiges Mädchen überhaupt sei. Vor diesem Hintergrund seien solche ICCs auch aus soziolinguistischer Perspektive interessant: „Bei der Beschäftigung mit diesen Fragen können Sprecher:innen nun auf ein Werkzeug zurückgreifen, das diese Zuschreibung von prototypischen Eigenschaften – und in der Folge die Zuordnung zu einer In- und einer Out-Group – in Form eines einzigen Wortes vornimmt.“ Aufgrund des simplen und dennoch so aussagekräftigen Mechanismus der Wiederholung betrachtet der Forscher ICCs als „innovative Technik“ und „Phänomen unserer Zeit“, das möglicherweise auch „die zunehmende Polarisierung der Gesellschaft widerspiegelt“.

Der Weg bis zur fertigen Dissertationsschrift war aber vor allem aus einem Grund besonders herausfordernd: „Die Erhebung der Daten stellte sich als sehr aufwendig heraus“, berichtet Frankowsky, der sich durch riesige Textsammlungen arbeiten musste. „Leider ist es nicht einfach, Bildungen, die ICCs sind, von denen zu unterscheiden, die ganz was anderes meinen. Ich musste also alle Belege im Kontext sehen, um die Daten richtig zu codieren.“ Andererseits sei es für ihn immer ein „glücklicher Zufall“ gewesen, wenn er ICCs in Gesprächen oder Medienformaten wie Filmen oder Podcasts live erleben konnte. „In letzterem Fall habe ich die Belege immer als Audio- oder Videodatei abgespeichert, um sie bei Vorträgen verwenden zu können“, so der Promovierte.

Doch auch nach seiner Promotion hat sich Maximilian Frankowsky der weitergehenden Forschung im Bereich der ICCs verschrieben – einige Aspekte mussten in seiner Arbeit schließlich zu kurz kommen. „Zum einen arbeite ich gerade an einer Publikation zu ICCs des dritten Typs, also den Namen“, erklärt er, „darüber hinaus ist das Betonungsmuster von ICCs noch nicht erforscht.“ Mit Belegen aus seinem Dissertationskorpus sei dies aber möglich. Natürlich gibt es auch noch andere Bereiche, in denen der Germanist gern weiterforschen möchte: „So interessiert mich beispielsweise das Thema Modifikation.“ Bei derart vielen Zukunftsprojekten scheint es so, als sei Klein-Klein nicht ganz sein „Ding“.