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Ralph Smyreck arbeitet als selbstständiger Übersetzer, Dolmetscher und Lektor in Leipzig. In seiner Dissertation hat er sich mit der sprach- und kulturkontrastiven Analyse von Werbekommunikation für medizinische Fachprodukte beschäftigt. Im Interview berichtet er, wie er zur Universität Leipzig kam, was gute Werbung ausmacht und wie lange eine gute Übersetzung auch mal dauern kann.

Wo haben Sie Ihre Universitäts-Laufbahn begonnen? Welche Stationen sind Sie durchlaufen und wie sind Sie zur Universität Leipzig gekommen? Gab es für den Besuch an der Uni Leipzig einen besonderen Grund?

Meinen Bachelor im Studiengang Fachübersetzen habe ich an der Hochschule Magdeburg-Stendal gemacht. Nach knapp zwei Jahren Selbstständigkeit als Übersetzer bin ich dann an die Uni Leipzig gekommen, um mich mit dem Master im Studiengang Translatologie weiter zu spezialisieren. Für die Uni Leipzig habe ich mich damals entschieden, weil die Ausbildung von Übersetzern und Dolmetschern am IALT einen sehr guten Ruf genießt.

 

Zu welchem Themenbereich haben Sie an der Uni Leipzig gearbeitet? Wie würden Sie das Thema Ihrer Promotion jemand Fachfremden erklären?

In meiner Dissertation habe ich mich mit Werbekommunikation beschäftigt. Im Gegensatz zur bereits gut erforschten Werbung für Konsumgüter fehlen noch sprach- und kulturkontrastive Untersuchungen zur Werbung mit stark fachlich geprägtem Inhalt. Daher habe ich anhand eines von mir erarbeiteten Analysemodells Werbebroschüren aus dem Bereich Medizintechnik auf Deutsch und Englisch untersucht, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Sprachen für diese Textsorte zu ermitteln. Unterschiede sieht man zum Beispiel bei der Gestaltung der Headline. In den englischsprachigen Broschüren werden mit Überschriften wie „Put a lock on unpredictable risks“ deutlich mehr Aufforderungssätze verwendet, um den Nutzen des Produkts in den Vordergrund zu stellen. Wohingegen sich die deutschsprachigen Broschüren eher Ellipsen wie „Alles im Blick“ bedienen.

Neben diesen Unterschieden habe ich mir außerdem angeschaut, wie Produkte für verschiedene Zielgruppen (also Fachleute wie Ärzt:innen vs. Laien wie Patient:innen) vermarktet werden und was auf inhaltlicher und sprachlicher Ebene passiert, wenn Fachwerbung von einer in die andere Sprache übersetzt wird. Dabei hat sich herausgestellt, dass Fachleute mehr auf dem rationalen und argumentativen Weg vom Produkt überzeugt werden sollen, während Patient:innen emotional angesprochen werden. Interessant war aber auch, dass die von mir untersuchte englischsprachige Werbung für Fachleute ebenfalls emotionale Inhalte enthält und sich somit stärker an der Werbung für Konsumgüter orientiert. In den deutschsprachigen Broschüren war das nicht der Fall. Für jede Sprache, jeden Kulturkreis und jede Zielgruppe muss Werbung für dasselbe Produkt daher häufig anders aussehen.

Wozu das führen kann, zeigt ein Beispiel von Wells, Burnett & Moriarty aus dem Jahr 2003. In Japan hat Starbucks zu Beginn die ersten Filialen im Land als „a daytime meeting place for business people and an evening place for socializing“ beworben. In anderen Ländern, darunter auf Hawaii, hingegen als “a place to relax, any time of the day or night”. Auch das ist ein Beispiel für die Vermarktung an unterschiedliche Nutzergewohnheiten und -erwartungen der Kulturräume.

 

Warum ist das Thema gesellschaftlich relevant? Welche Bezüge stellt Ihre Arbeit zu aktuellen oder zukünftigen Herausforderungen her?

Durch die Globalisierung wollen immer mehr Unternehmen nicht nur auf dem heimischen Markt präsent sein, sondern ihre Produkte global vermarkten. Werbung funktioniert aber nur dann, wenn sie in ihrem Erscheinungsbild und ihrem Inhalt an die Erwartungen der Menschen in den einzelnen Ländern angepasst wird. Dafür ist es wichtig, die Eigenheiten des Werbens in verschiedenen Sprach- und Kulturräumen zu kennen. Da es in so vielen Bereichen konkurrierende Produkte gibt, die sich in Funktion und Qualität kaum noch merklich voneinander unterscheiden, wird eine ausgefeilte Marketingstrategie für Unternehmen in Zukunft immer wichtiger werden. Meine Arbeit könnte dazu einen Teil beitragen, da sie genau aufschlüsselt, welche Werbung wen anspricht und worauf zu achten ist, wenn Werbung im englischen- und deutschsprachigen Raum verbreitet wird. Andere Kulturen sind andere Textformen und Stilmittel gewohnt, da kann man Werbung nicht einfach 1-zu-1 übersetzen und denken, damit sei es getan.

Dazu passt ein Beispiel aus einer früheren Forschungsarbeit von mir. Da heißt es im englischsprachigen Original einer Werbebroschüre in einer Überschrift „Afternoon teatime“. In der Übersetzung ins Deutsche wurde daraus an dieser Stelle „Kaffee und Kuchen“. Hier hat man also eine Anpassung vorgenommen, freier übersetzt und damit an die unterschiedlichen Gepflogenheiten der Kulturen gedacht. Häufig ist eine umfangreiche Überarbeitung des Marketingtextes notwendig, die weit über eine normale Übersetzung hinausgeht. In der Welt des Übersetzens spricht man in diesem Zusammenhang auch von einer Transkreation. Meine Arbeit zeigt, welche Gedanken man sich dabei machen müsste.

 

Gab es auf Ihrem Weg vielleicht besonders große Hürden oder Probleme, vor denen Sie standen? Gab es vielleicht auch glückliche Zufälle?

Die Materialrecherche und -auswertung hat sehr viel Zeit in Anspruch genommen, was mich stellenweise an den Rand der Verzweiflung gebracht hat. Um belastbare Ergebnisse zu erhalten, sollte natürlich ein möglichst großes Korpus ausgewertet werden. Die Abwägung ist bei so einem Forschungsvorhaben immer: entweder mehr Material anschauen oder das Material tiefgründiger untersuchen. Da möchte man häufig beides, muss sich aber entscheiden, ob man Headlines und Bilder nur unter einem Aspekt untersucht, dafür aber 500 anschaut, oder unter mehreren Aspekten, dann aber nur 50 analysiert. Bei qualitativen Analysen stößt man so jedoch schnell an die Grenze dessen, was eine einzelne Person im Rahmen einer Dissertation leisten kann. Die Auswertung einer einzelnen Werbebroschüre kann Stunden oder sogar Tage in Anspruch nehmen, wenn man alles unter wissenschaftlichen Standards beleuchten und mehrere Korpora miteinander vergleichen will. Das war eine große Herausforderung.

 

 Wie sieht Ihr Plan für die Zeit nach der Promotion aus? Welche Projekte sind in Aussicht und wie werden wir in Zukunft von Ihnen hören?

Momentan arbeite ich noch Vollzeit als selbstständiger Übersetzer, Dolmetscher und Lektor in Leipzig. Ich helfe vor allem kleinen und mittelständischen Unternehmen durch kreative Übersetzungen im Bereich Marketing mit ihren Produkten auf dem deutschen oder internationalen Markt erfolgreich zu sein – zu finden unter www.topuebersetzung.de. Ab Juli dieses Jahres übernehme ich außerdem die Leitung des Translation Services an der TU Braunschweig. Wenn ich dann noch Zeit finde, blogge ich zu den Themen Transkreation, Lokalisierung und Werbung. Auch in Zukunft möchte ich weiterhin als Übersetzer in diesem Bereich arbeiten und zur Übersetzung von Werbetexten forschen.