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Katrin Wisniewski ist seit 1.4.2023 Inhaberin der Gerhard-Helbig-Professur für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache an der Philologischen Fakultät, Herder-Institut.

Was haben Sie studiert und über welche Stationen führte Ihr Weg an die Universität Leipzig?

Katrin Wisniewski: Ich habe romanistische Sprachwissenschaft, Politikwissenschaft, Neuere/Neueste Geschichte und Deutsch als Fremdsprache in Dresden und Leipzig studiert. Nach meiner Promotion an der TU Dresden und Stationen unter anderem an einem Forschungsinstitut in Bozen bin ich als Akademische Assistentin ans Herder-Institut der Universität Leipzig gekommen. Danach habe ich zunächst eine Professur an der Justus-Liebig-Universität Gießen vertreten, bevor ich Ende 2021 einen Ruf auf die Professur für Deutsche Sprachwissenschaft/Deutsch als Fremdsprache an die Otto-Friedrich-Universität Bamberg angenommen habe. Jetzt freue ich mich sehr, ans Herder-Institut zurückkehren zu können!

 

Wo liegen Ihre Forschungsinteressen und was fasziniert Sie daran?

KW: In meiner Forschung haben sich drei zusammenhängende Kerninteressen herauskristallisiert, bei denen ich versuche, Theorie und Praxis gut zu verzahnen – wie es für das wissenschaftliche Fach DaF/DaZ ja kennzeichnend ist. 

Zum einen interessiert mich der Erwerb des Deutschen als Fremd- und Zweitsprache und hier ganz besonders die Aneignung von Grammatik. Warum bestimmte sprachlichen Phänomene in welchen Sprachgebrauchskontexten für welche Lernenden mehr oder weniger schwierig sind, welche hoch variablen, aber gleichzeitig oft auch systematischen Schritte, Schleifen oder vielleicht gelegentlich auch Purzelbäume Sprachlernende im Erwerbsprozess tun, ist für mich ein bleibend spannendes Thema, das methodisch wie inhaltlich einen sehr genauen Blick erfordert. Ich befasse mich in diesem Themenbereich mit sogenannten Lernerkorpora, also digitalen Datensammlungen von gesprochenen oder geschriebenen Produktionen von Lernenden. Deshalb kooperiere ich auch eng mit Kolleg:innen aus der Computerlinguistik. Derzeit arbeite ich beispielsweise gemeinsam mit Prof. Dr. Torsten Zesch von der FernUniversität Hagen und einem tollen Mitarbeiter:innenteam im Projekt DAKODA an einem solchen Lernerkorpusprojekt.

 

Und der zweite Forschungsschwerpunkt?

KW: Das ist die Diagnostik sprachlicher Kompetenzen, insbesondere die Untersuchung der Validität verschiedener diagnostischer Verfahren. Genau zu verstehen, welche Tests und Prüfungen wie zuverlässig welche linguistischen Konstrukte messen, ist meiner Meinung nach genauso wichtig wie zu untersuchen, welche individuellen, institutionellen und gesellschaftlichen Konsequenzen mit der Verwendung von Tests und anderer diagnostischer Verfahren einhergehen. In den letzten Jahren ist die Bedeutung von high-stakes-Tests im Bereich DaF/DaZ immer weiter gestiegen. Damit sind Tests gemeint, von deren Bestehen sehr viel abhängt, beispielsweise aufenthaltsrechtliche Fragen oder der Zugang zu Bildungsinstitutionen. Umso wichtiger ist es meines Erachtens, dass die Validität gerade solcher Verfahren unabhängig akademisch beforscht wird.

Das dritte Interessensgebiet liegt näher an der Bildungsforschung und betrifft Fragen des Zusammenhangs sprachlicher Kompetenzen mit dem Bildungs- bzw. Studienerfolg mehrsprachiger Lernender in ganz unterschiedlichen Lehr-Lernkonstellationen. Oft wird Sprache ja als eine Art „Schlüssel“ für eine erfolgreiche Bildungsbiographie betrachtet.  In welchem Ausmaß und für welche Art von Sprache dies aber gilt, ist noch weitgehend unklar. Hier hatte ich das Glück, gemeinsam mit Prof. Dr. Wolfgang Lenhard von der Universität Würzburg noch von Leipzig aus das Projekt „Sprache und Studienerfolg bei Bildungsausländer/-innen“ (SpraStu) durchführen zu dürfen. SpraStu hat gezeigt, dass Sprachkompetenzen – und zu Studienbeginn insbesondere das Leseverstehen – für internationale BA-Studierende tatsächlich eine entscheidende Rolle für einen erfolgreichen Studieneinstieg spielen.

 

In welchen Studiengängen werden Sie unterrichten?

KW: Ich werde in allen Studiengängen des Herder-Instituts unterrichten, also sowohl im DaF/DaZ-Bachelor- als auch im entsprechenden Masterstudiengang. Hinzu kommen das Lehramtserweiterungsfach DaZ und die verschiedenen binationalen Masterstudiengänge.

Das Herder-Institut spielt im deutschsprachigen Raum eine ganz entscheidende Rolle bei der Ausbildung hochqualifizierten Nachwuchses, und ich werde versuchen, dazu beizutragen, dass das auch in Zukunft so bleibt. Die extrem motivierten und lebendigen Leipziger Studierenden haben mir in den letzten Jahren sehr gefehlt – ich freue mich sehr darauf, wieder mit ihnen arbeiten zu dürfen.

 

Was ist Ihrer Ansicht nach das Ausbildungsziel in den DaF/DaZ-Studiengängen?

KW: Klar ist: Herder-Absolvent:innen sollen über eine fundierte Theorieausbildung verfügen und dabei – ganz im Sinne von DaF/DaZ als „Kind der Praxis“ – stets auch Praxisbezüge erleben. Hinzu kommt, dass man im Fach DaF/DaZ in den letzten Jahren eine deutlich differenziertere Wahrnehmung mehrdimensionaler, heterogener Erwerbswege beobachten kann: „Den DaF-Lernenden“ oder „die DaZ-Lernerin“ gibt es so oft gar nicht. Diese Sensibilität dafür, mit wem man es als Lehrkraft, aber eben auch in der Forschung eigentlich zu tun hat, möchte ich gern in meiner Lehre vermitteln.

Außerdem steigen meinem Eindruck nach die methodischen Anforderungen an den wissenschaftlichen Nachwuchs vor allem im Bereich quantitativer Analyseverfahren ganz erheblich. Gleichzeitig werden immer mehr Kompetenzen im Umgang mit digitalen Daten erforderlich. Hier würde ich gern in meiner Lehre besondere Schwerpunkte legen.

 

Welche gesellschaftliche Dimension hat das Fach DaF/DaZ?

KW: Dimensionen müsste man wohl sagen ... Das ist eine wirklich große Frage, die ich hier gar nicht zufriedenstellend beantworten kann. Denn DaF/DaZ als "Kind der Praxis" hat in vielerlei Hinsicht Implikationen dieser Art. Zum einen reagiert das Fach regelmäßig auf aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen. Zum anderen setzt die DaF/DaZ-Forschung aber auch ihrerseits natürlich wichtige Impulse für bildungs-, arbeitsmarkt-, gesellschafts- oder migrationspolitische Handlungsfelder. Das lässt sich hier nicht auch nur annähernd angemessen darstellen, vor allem auch, weil diese Praxisrelevanz von DaF/DaZ für sehr verschiedene Menschen bzw. Deutschlernende gilt. Dazu zählen ja etwa gering literalisierte Zweitsprachenlernende genauso wie neu zugewanderte Schüler:innen, anzuwerbende Fachkräfte aus dem Ausland oder internationale Studierende an deutschen Hochschulen, um nur einige wenige zu nennen. Um letztere herauszugreifen: Dass Deutschkenntnisse für ein erfolgreiches Studium zentral sind, hat zuletzt das SpraStu-Projekt gezeigt und damit hochschul- und bildungspolitisch relevante Ergebnisse geliefert.

 

Mit welchen Bereichen an den anderen Instituten der Fakultät oder an anderen Fakultäten sehen Sie inhaltliche Schnittmengen oder Potential für eine Zusammenarbeit?

KW: Schon am Herder-Institut sehr ich viele Kooperationsmöglichkeiten und freue mich sehr auf die Zusammenarbeit. Sehr gern würde ich aber auch mit anderen an Mehrsprachigkeitsfragen interessierten Philologinnen und Philologen der Fakultät kooperieren, sei es in der Forschung, der Lehre oder der gemeinsamen Nachwuchsförderung. Schnittmengen gibt es ferner natürlich zum Lehrer:innenbildungsbereich bzw. den Erziehungswissenschaften allgemein und auch zur Informatik.

 

Was ist Ihr Lieblingsurlaubsland?

KW: Als Italianistin habe ich eine so ambivalente wie unkaputtbare Liebe zu Italien.