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Im akademischen Jahr 2022/23 begrüßt das Institut für Germanistik die Doktorandin Irene Bibi von der University of Arizona aus Tucson als Gastwissenschaftlerin. Bibi war vor dem Beginn ihres PhD-Studiums bereits viele Jahre in Kenia und anderen Ländern der Sub-Sahara als Deutschlehrerin und Trainerin an Goethe-Instituten tätig. Sie spricht über ihre ersten Wochen in Leipzig und über die Herausforderungen als transkulturelle Doktorandin und Familienmensch mit afrikanischen Wurzeln. Das Interview führte Sina Meißgeier, ebenfalls Doktorandin im binationalen Dr.phil./PhD-Programm der Universität Leipzig mit der US-amerikanischen Uni.

Interview mit PhD-Studentin Irene Bibi

Irene, wie gefällt es dir in Leipzig und was waren deine ersten Eindrücke?

Leipzig gefällt mir recht gut. Das hängt eventuell auch mit meiner Kindheit zusammen, weil mir der europäische Raum im Allgemeinen bekannt ist. Ich habe als Kind in der Schweiz gelebt und bin später im Rahmen meiner Tätigkeit am Goethe-Institut sehr oft nach Deutschland gereist. Was ich besonders beeindruckend finde, ist natürlich die Architektur. Ich hatte vorher noch nie solche schönen Gebäude gesehen.


Wie muss man sich deinen Alltag als Gastdoktorandin vorstellen?

Bisher habe ich eigentlich recht unabhängig gearbeitet. Der Alltag ist: ins Büro kommen und E-Mails checken und recherchieren. Ich bin gerade dabei, mich einzuarbeiten und zu verstehen, wie die Strukturen hier sind. Zu meinem Programm gehört auch, dass ich im Winter- und kommenden Sommersemester an Seminaren teilnehme und Credits erwerbe. Und ich habe vor, Daten für mein Dissertationsprojekt zu erheben.

 

Du kommst aus Kenia, hast dort B.A. und M.A. studiert und dann für Goethe-Institute und Universitäten gearbeitet. Du bist auch weit über Kenia hinaus tätig gewesen. Erzähl uns etwas mehr über dein bisheriges Leben!

Das ganze Abenteuer mit der deutschen Sprache hat in der Schweiz begonnen. Dort bin ich einige Jahre zur Schule gegangen. Als wir nach Kenia zurückgekehrt sind, habe ich dann weiter Deutsch gelernt. Ich habe dann meinen Bachelor of Education, also Deutsch auf Lehramt, gemacht und meinen Master in Germanistik an der Universität Nairobi. Nebenbei war ich am Goethe-Institut. An drei Universitäten habe ich dann auch vor allem Deutschunterricht erteilt, aber auch Seminare zu Landeskunde. Diese Arbeit habe ich viele Jahre gemacht, aber in mir war irgendwie immer eine bestimmte Unruhe. Ich wollte immer schon promovieren.

Du warst lange wirksam in der Berufspraxis und du hast Kinder. Viele würden da sagen: Das reicht mir. Aber du wolltest noch promovieren und nicht nur das, sondern seit 2021 promovierst du in den USA. Wie ist es dazu gekommen?

Ich glaube, ich habe mich da auf das Schicksal verlassen. Ein Kollege hat damals eine E-Mail mit der Ausschreibung der Uni Arizona für den PhD geteilt und die habe ich dann an KollegInnen weitergegeben. Gleichzeitig habe ich gedacht: Eigentlich könnte ich mich da auch bewerben. Es ist halt so, dass die Promotionsstudiengänge in German Studies/Germanistik in meinem Heimatland noch nicht so richtig ausgebaut sind. Es besteht die Möglichkeit, lokal zu promovieren, aber eine Promotion im Ausland - wie in Deutschland oder in Südafrika -  ist attraktiver, da es einen Austausch mit aus anderen Ländern kommenden Studierenden gibt. Viele Kenianer studieren in den USA. Insofern gibt es da schon sehr viele Verbindungen zwischen Kenia und den USA. Aus Kenia kommend, in Amerika promovierend und jetzt bin ich in Deutschland. Das ist für mich einfach dieser Begriff der Transkulturalität, und das fand ich damals wirklich attraktiv. Nach einem Jahr in den USA ist mir auch klar geworden, wie man anders lernen kann, wie man die Möglichkeit hat, einfach seine ganzen Erfahrungen in die Thematik einzubringen. Das ist das, was ich an diesem Studiengang schätze.


Irene, du sprichst fließend Deutsch und Englisch. Deine Muttersprache ist Luhya und du beherrschst auch Kiswahili und konservationelles Französisch. Du bist ein sehr gutes Beispiel für Mehrsprachigkeit. Wie wichtig ist es für dich, verschiedene Sprachen zu sprechen. Welchen Stellenwert haben die Sprachen für dich?

Sprache ist immer eine Brücke. Mit der Sprache baut man Brücken zu anderen Kulturen und anderen Menschen. Ich hatte bisher schon viel mit der deutschen Sprache zu tun, aber jetzt während meinem Aufenthalt in Leipzig wird es mir immer bewusster, wie wichtig es ist, andere Sprachen zu beherrschen. Als Tourist 2-3 Wochen in Deutschland zu sein, da kann man auch mit Englisch überleben. Aber wenn man so wirklich ein Land kennenlernen möchte, die Menschen verstehen will, hier arbeiten…Die Menschen reagieren einfach anders, sobald sie merken, dass man ihre Sprache spricht. Ich glaube, es war Nelson Mandela, der gesagt hat, wenn man in der Muttersprache spricht, dann spricht man zum Herzen des Menschen.

Zum Schluss würde mich noch interessieren: Zwischen Nairobi, Tucson und Leipzig zu leben, ist sicherlich sehr herausfordernd und erfordert viel Organisation. Wer sind deine unterstützenden Ressourcen? Wo beziehst du deine Kraft her?

Das ist eine gute Frage. Ich habe ja innerhalb von zwei Jahren zwei transatlantische Umzüge hinter mir: Im Sommer 2021 von Kenia nach Tucson und diesen Sommer von Tucson nach Leipzig. Ich habe eine Familie, die mich wirklich sehr unterstützt. Gerade mein Vater ist eine echte Motivation für mich. Mein Vater hat ja selbst in den 70er-Jahren in Zürich seinen Master und ein Jahrzehnt später seine Promotion gemacht. Bei ihm habe ich die ersten deutschen Wörter gelernt. Der hatte immer so Bücher im Regal stehen und ich habe ihn gefragt, welche Sprache das ist, und er sagte: Deutsch. Er hat mich wirklich immer unterstützt und mit ihm kann ich auch sehr locker reden. Ich habe auch eine sehr gute Beziehung mit meiner Mutter, mit meinen Geschwistern und ich habe sehr gute Freundinnen in Kenia, die ich trotz der Entfernung schnell erreichen kann. Der Umzug nach Amerika hat gut geklappt, weil sehr viel Unterstützung vom Department of German Studies in Tucson kam. Man wird wirklich tagtäglich unterstützt und ich muss sagen, dass ich das auch in Leipzig erlebt habe. Ich habe auch die Aufnahme hier als sehr positiv erlebt, auch mit dem Sekretariat. Kollegen wie du, Sina, oder auch Dr. Leonhard Herrmann waren für mich da. Ich meine, die Bürokratie – Anträge wie Visa – das darf man alles nicht unterschätzen. Die Stabsstelle Internationales war da auch sehr hilfreich. Und ich bin auch ein gläubiger Mensch. Ich denke immer, man bekommt nie eine Situation, die man nicht selber irgendwie bewältigen kann. Man bekommt das, was man selber schaffen kann.