Wie wichtig ein sensibler und reflektierter Umgang mit sowie über Sprache ist, zeigt bereits der Titel von Zhau Yue Laus Abschlussarbeit: „Subjektivierungsprozesse von ausländisch gelesenen DaF/DaZ-Studierenden“, hat sie gewählt - und betont die Wichtigkeit, die Formulierung "ausländisch gelesen" auch im Schriftbild durch die Kursivierung hervorzuheben. Denn: der Begriff selbst ist vorerst problematisch, weil er diskriminierend ist. Jedoch ist er (aufgrund seiner Performativität und Produktivität) notwendig, um genau diese Problematik (sprachlich) hervorheben und kritisieren zu können. Was genau Zhau Yue Lau in ihrer Abschlussarbeit untersucht hat und zu welchen Ergebnissen sie gekommen ist, verrät sie im Interview.
Wenn Sie Freund:innen oder Familie das Thema Ihrer Arbeit in drei Sätzen erklären müssten, was würden Sie sagen?
In meiner Arbeit geht es um die Erfahrungen, Wahrnehmungen und Eigenperspektiven von ausländisch gelesenen Studierenden aus meinem Fach. Diese werden in Verbindung mit Macht- und migrationsgesellschaftlichen Verhältnissen gesetzt und aus macht- und sprachkritischen Perspektiven betrachtet. Diese Arbeit stützt auf subjektivierungstheoretischen Forschungsansätzen und macht die bestehenden, asymmetrischen (Sprach-)Verhältnisse an der Hochschule sichtbar.
Wie sind Sie auf dieses Thema „gekommen“, also: wie haben Sie dieses Thema gefunden und warum wollten Sie es bearbeiten?
Für meine Masterarbeit und meine vermeintlich letzte akademische Arbeit wollte ich auf jeden Fall ein Thema aussuchen, an dem ich Interesse habe und zu dem ich Bezug herstellen konnte. Aus diesem Grund bin ich nach langer Suche auf dieses Thema gekommen, das auf meinen eigenen Erfahrungen als ausländisch gelesene Studierende in Deutschland beruht und Bezug zu meinem Interessensgebiet im Fach - also zu Kulturstudien - hat.
Was wurde mit welchen Methoden untersucht?
Mit der Anlehnung an Grounded Theory habe ich die Subjektivierungsprozesse meiner Zielgruppe anhand ihrer Erfahrungen und Wahrnehmungen rekonstruiert.
Warum hat das Thema gesellschaftliche Relevanz? Oder an welcher Stelle, für welchen Bereich und welche Personengruppen genau?
Diese Arbeit ist nicht nur für ausländisch gelesene Studierende in meinem Fach relevant, sondern auch für alle anderen Studierenden in Deutschland, die auf der einen Art und Weise subtile und fast unsichtbare Ausgrenzungserfahrungen an der Hochschule gemacht haben. Mit dieser Arbeit möchte ich diese fast unsichtbaren Ausgrenzungserfahrungen im Hochschulsystem sichtbar machen und einen Anlass zum Nachdenken geben, wie eine Person von Sprache profitieren und gleichzeitig ausgegrenzt werden kann.
Wenn Sie die Arbeit heute noch einmal schreiben müssten, was würden Sie anders machen? Würden Sie das gleiche Thema wieder wählen?
Ich würde das gleiche Thema wieder nehmen, aber den Arbeitsprozess anders, nachhaltiger gestalten. Damit meine ich eine Arbeitsweise (oder auch Einstellung), in der ich gesund mit meiner mentalen Gesundheit umgehen kann.
Was hat Sie besonders an Ihrem Thema gereizt?
Besonders die Entstehung des Konstruktes einer/der Muttersprache hat mich sehr gereizt. Denn mit der Instrumentalisierung der Muttersprache sind auch viele weitere Konstrukte und Ideologien entstanden.
An welchem Ort konnten Sie am besten schreiben/nachdenken?
Im Bett am späten Abend. Besonders empfehlenswert ist auch die deutsche Nationalbibliothek ;o)
Wenn Sie anderen Studierenden, die gerade ihre Abschlussarbeit vorbereiten oder schreiben, einen Tipp geben könnten, welcher wäre das?
Viel durchatmen, ruhig bleiben, am Ende wird alles gut sein.
Alternativ: Kurz zusammenbrechen, aber nicht zu lange ;o)
Welchen Erkenntnisgewinn nehmen Sie mit?
Dass das, was wir als wahr, objektiv, faktisch wahrnehmen, nicht unbedingt so sein muss, und nie aus einer neutralen Position entsteht und dass das kritische Denken sehr wichtig ist.
Das sagt die Zweitbetreuerin:
Die Masterarbeit von Frau Lau macht deutlich, wie durch den Stellenwert der sog. "Muttersprachlichkeit" im Hochschulkontext, speziell im Fach DaF/DaZ, subtile Exklusionsmechanismen legitimiert werden. Sie widmet sich damit dem wichtigen Themenkomplex dominanter Wissensbestände in (nicht nur) unserem Fach. Anhand biografischer Interviews analysiert sie die paradoxe Positioniertheit ('Double Bind') von Studierenden, die als "ausländisch gelesen" subjektiviert werden und wie sie sich zu diesen Subjektivierungsweisen verhalten (können). Sehr gut begründete Forschungsentscheidungen, eine differenzierte Diskussion der empirischen Ergebnisse und ein hoher Grad an Selbstreflexivität, auch über die eigene Sprachverwendung, zeichnen die Arbeit besonders aus.
- Jedes Jahr werden an der Philologischen Fakultät unzählige Abschlussarbeiten geschrieben. Ab Wintersemester 2023/24 stellen wir einige davon im Detail vor.