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Der Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ) Landesverband Bayern e. V. hat mit freundlicher Genehmigung des Nürnberger Stadtarchivs eine Wanderausstellung mit eindrucksvollen Fotos des Prozesses konzipiert. Diese Fotoausstellung wird von 12. Januar bis 22. Februar 2024 auf Initiative des BDÜ Landesverbands Ost e. V. und des Instituts für Angewandte Linguistik und Translatologie (IALT) der Universität Leipzig im Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu sehen sein.

Die Geburtsstunde des modernen Simultandolmetschens

Dem Sitzungssaal 600 des Nürnberger Justizpalastes kommt eine historische Bedeutung zu: In ihm fand der Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher des Zweiten Weltkriegs statt. Die Herausforderung dabei: vier Sieger, vier Rechtssysteme, vier Sprachen, ein Gericht. Um die Kommunikation zwischen den Beteiligten zu ermöglichen, kamen zahlreiche Dolmetscherinnen und Dolmetscher zum Einsatz – weshalb dieser Prozess auch als die Geburtsstunde des modernen Simultandolmetschens gilt.

Fotoausstellung

Die Ausstellung zeigt – mit freundlicher Genehmigung durch das Stadtarchiv Nürnberg – ausgewählte Fotografien von Ray D'Addario, seinerzeit Fotograf im Dienst der US-Army, die die Prozessatmosphäre mit
besonderem Augenmerk auf die Rolle der Dolmetscher und Übersetzer dokumentieren.
Die Ausstellung ist vom 12. Januar bis 22. Februar 2024 in den Räumlichkeiten des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig zu sehen. Sie ist für Besucher während der Öffnungszeiten des Gerichts Montag bis Freitag, 8:00 – 16:00 Uhr, frei zugänglich. 

„Ohne Simultandolmetschen wäre es unmöglich gewesen“

Sascha Annisius, Regionalgruppenleiter für Leipzig im BDÜ Ost e.V. im Interview mit Lucas Böhme (LZ Leipziger Zeitung vom 11. Janaur 2024)

Zum Interview

Vorträge zur Ausstellungseröffnung

Zur feierlichen Eröffnung der Ausstellung findet am 12. Januar 2024 eine Vortragsreihe statt. Die Veranstaltung ist offen für alle Studierenden der Universität Leipzig, Mitglieder des BDÜ sowie für die interessierte Öffentlichkeit.
Ort: Audimax im Neuen Augusteum, Campus Augustusplatz
Zeit: 14:00 Uhr

Der BDÜ und die Bedeutung der Fotoausstellung für den Berufsverband

Norma Keßler

Der Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer e. V. (BDÜ) setzt sich seit Mitte der 1950er-Jahre für die Belange der professionellen Übersetzer/-innen und Dolmetscher/-innen ein. Die Fotografien vom Nürnberger Prozess, auf denen auch die Arbeit der Dolmetscher/-innen dokumentiert ist, bieten eine wunderbare Gelegenheit, sich neben der juristischen Dimension der Prozesse in Nürnberg und der erstmaligen unmittelbaren Mehrsprachigkeit in einem Prozess durch simultane Verdolmetschung auch mit den begleitenden technischen Aspekten der Berufe auseinanderzusetzen.

Norma Keßler ist Diplom-Übersetzerin für die Sprachen Englisch und Spanisch (Universität Heidelberg). Ihren Arbeitsschwerpunkt bilden Übersetzungen im Bereich Architektur, Kunst und Design. Seit 2018 ist sie Präsidentin des BDÜ. Aus ihrer Zeit als Vorstandsmitglied des BDÜ Bayern kennt sie die Fotoausstellung seit dem Jahr 2006 aufs Beste und schätzt nach wie vor die Ausdrucksstärke und Lebendigkeit der Bilder.

Die Rolle der Dolmetscher und Übersetzer beim Nürnberger Prozess

Dr. phil. Theodoros Radisoglou

Richter und Ankläger, Angeklagte und Verteidiger mussten in vier Sprachen miteinander kommunizieren. Den Dolmetschern und Übersetzern kam daher eine tragende Rolle im Verfahren gegen die Hauptkriegsverbrecher des Nazi-Regimes zu. Spezielle Maschinen wurden konstruiert, und nicht von ungefähr wurde das Verfahren zur Geburtsstunde des modernen Simultandolmetschens.

Dr. phil. Theodoros Radisoglou (BDÜ Bayern) ist beeidigter Dolmetscher und Übersetzer am Landgericht Nürnberg-Fürth und hat für den BDÜ diese Ausstellung mit den Fotos von Ray D'Addario konzipiert sowie immer wieder in Aufsätzen und Vorträgen über die Nürnberger Dolmetscher und ihre Arbeitsbedingungen berichtet.

Der Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher – historische, rechtliche und politische Aspekte

Prof. Dr. iur. Klaus Kastner

Das Verfahren vor dem Internationalen Militärtribunal war ein Novum im Völkerrecht. Erstmals in der Geschichte der Völker wurden Politiker, Militärs und Wirtschaftsführer eines Kriegsgegners wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit strafrechtlich zur Verantwortung gezogen.

Prof. Dr. iur. Klaus Kastner, Präsident des Landgerichts Nürnberg-Fürth a. D. und Honorarprofessor an der Universität Erlangen-Nürnberg, veröffentlichte mehrere Aufsätze und Bücher, insbesondere zu völkerrechtlichen Aspekten der Nürnberger Prozesse.

Urkundenübersetzen und Gerichtsdolmetschen heute: rechtliche und translatologische Perspektiven

Prof. Dr. phil. Tinka Reichmann

Das Übersetzen und Dolmetschen für Gerichte und andere Organe der Rechtspflege ist in verschiedenen Gesetzen verankert, dennoch klaffen Wahrnehmung und Praxis aus juristischer und translatologischer Sicht oft auseinander. In dem Vortrag werden die rechtliche Stellung und Funktion von Dolmetschern, Übersetzern und sachverständigen dargestellt und kritisch besprochen.

Prof. Dr. phil. Tinka Reichmann, Professorin für Translationswissenschaft an der Universität Leipzig (Institut für Angewandte Linguistik und Translatologie), Mitglied im BDÜ und beeidigte Übersetzerin und Dolmetscherin, beschäftigt sich u. a. mit Rechtstranslatologie und dem Übersetzen und Dolmetschen in rechtlichen Kontexten.