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Martin Schmähl hat in Leipzig Deutsch und Geschichte auf Lehramt studiert und im April 2023 seine Staatsexamensarbeit zu „Sympathielenkung in Gottfrieds von Straßburg „Tristan“ – eine Analyse“ abgegeben. Betreut wurde die Arbeit von Prof. Dr. Sabine Griese, Professorin für Germanistische Mediävistik/Ältere deutsche Literatur am Institut für Germanistik. Die Zweitbetreuung übernahm Dr. Markus Greulich. Mittlerweile ist Martin Schmähl als Referendar für die Fächer Deutsch und Geschichte an einer Oberschule tätig.

Für seine Staatsexamensarbeit ist Martin Schmähl im August 2023 mit dem Examenspreis des ZLS für eine herausragende fachwissenschaftliche Arbeit geehrt worden. Darin zeigt er, dass bereits im Mittelalter Autoren geschickt steuern konnten, für welche Charaktere die Leserschaft Sympathie und Mitgefühl empfindet, auch wenn sich die entsprechenden Figuren nicht immer so verhalten, wie es gesellschaftlichen Konventionen entsprach. Was genau Martin Schmähl in seiner Abschlussarbeit untersucht hat und zu welchen Ergebnissen er gekommen ist, verrät er im Interview.

Wenn Sie Freund:innen oder Familie das Thema Ihrer Arbeit in drei Sätzen erklären müssten, was würden Sie sagen?

Tristan und Isolde zählen zu den bekanntesten Liebespaaren der Literaturgeschichte. In meiner Arbeit habe ich untersucht, wie es dem Autor (Gottfried von Straßburg) gelungen ist, dass die Rezipienten im Mittelalter trotz des ehebrecherischen Verhaltens von Tristan und Isolde Sympathie für die beiden entwickelten. Dafür habe ich untersucht, welche sympathielenkenden Strukturen und Phänomene im Text eingesetzt werden, um eine bewusste Steuerung des Sympathiebildungsprozesses nachzuweisen.

Wie sind Sie auf dieses Thema "gekommen", also: wie haben Sie dieses Thema gefunden und warum wollten Sie es bearbeiten?

Als ich im 7. Semester im Seminar von Frau Griese saß und wir Gottfrieds Roman „Tristan und Isold“ bearbeiteten, fragte ich mich immer wieder, warum Tristan im ersten Teil des Romans so übertrieben positiv und unfehlbar dargestellt wurde. Dies erzeugte bei mir mit meinem modernen Denken eher eine ablehnende Grundhaltung ihm gegenüber. Dann kam die Minnetrankszene und meine Sympathie in Bezug auf Tristan machte eine Hundertachtziggradwende. Mein Mitgefühl lag nun ganz bei Tristan und Isolde und ich fieberte mit ihnen mit, nicht entdeckt zu werden. Woher kam der Wandel? Dem wollte ich auf die Spur gehen. Im Rahmen meiner Seminararbeit erprobte ich ein wissenschaftliches Analysemodell zur Darstellung sympathielenkender Strukturen und Phänomene in mittelalterlichen Texten und stellte fest, dass eine genauere Analyse des Textes den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Also entschied ich mich, meine Arbeit zu einer Staatsexamensarbeit auszuweiten.

Was wurde mit welchen Methoden untersucht?

Der Text von Gottfried von Straßburg „Tristan und Isold“ wurde von mir auf seine sympathielenkenden Strukturen und Phänomene primär in Bezug auf Tristan und Isolde untersucht. Dies schloss jedoch auch die Beleuchtung der sympathielenkenden Aspekte anderer Figuren mit ein. Die Untersuchung fand mithilfe von zwei Analysemodellen zur Rekonstruktion von Sympathielenkungsverfahren in mittelalterlichen Texten statt.

Welche Unterstützung hat die Betreuerin leisten können? Was hat das Betreuungsverhältnis gekennzeichnet?

Frau Griese hat mich im gesamten Entstehungsprozess begleitet. Sie stand mir mit Ratschlägen, konstruktiver Kritik und aufmunternden Worten immer zur Seite und war von Anfang an der Überzeugung, dass ich eine gute Arbeit abliefern werde. Wir hatten während der Entstehungszeit regelmäßigen Telefonkontakt und tauschten uns dabei über den aktuellen Stand der Arbeit aus. Diese Termine halfen mir, meine Arbeit zu strukturieren und formelle Fragen zu klären. Das Betreuungsverhältnis zeichnete sich durch ein großes Interesse von Frau Griese an meiner Arbeit aus.

Was hat Ihnen beim Schreiben besonders viel Freude gemacht?

Am meisten hat mir an meiner Arbeit Spaß gemacht, Neuland in einem literaturwissenschaftlichen Bereich zu betreten und einen so alten Text noch einmal neu zu deuten. Dabei taten sich teilweise verdeckte Sympathielenkungsstrukturen auf, die mir den einen oder anderen Aha-Moment bescherten. Weiterhin verfolgte ich die Entstehung meiner Arbeit mit einer gewissen Spannung, da sich immer neue Aspekte der Sympathielenkung im Text auftaten. Umso schöner war es für mich, am Ende schlüssig nachzuweisen, dass die Sympathielenkung deutlich zu Gunsten von Tristan und Isolde angelegt ist.

Wird Sie das Thema Ihrer Arbeit auch weiterhin (beruflich oder in einem Anschlussstudium) beschäftigen? Wenn ja, auf welche Weise?

Mir wurde von Frau Griese angeboten, das Thema in einer Dissertation weiterzuschreiben. Dieses Angebot ziehe ich auch durchaus in Erwägung. Allerdings habe ich mich primär für das Referendariat entschieden. Eine Option B ist es jedoch alle Male.

Mich reizt es sehr, die Entwicklung dieser Arbeit fortzuführen (von Hausarbeit über Staatsexamensarbeit evtl. hin zur Dissertation) und somit etwas zu einem Bereich der Literaturwissenschaft beizusteuern.

Wenn Sie anderen Studierenden, die gerade ihre Abschlussarbeit vorbereiten oder schreiben, einen Tipp geben könnten, welcher wäre das?

Versucht ein Thema zu finden, welches euch Spaß macht und seid offen für andere Sachen. Ich wollte eigentlich unbedingt in Geschichte meine Staatsexamensarbeit schreiben und auch das Modul „Einführung in die ältere deutsche Sprache“ fand ich anfangs nicht toll. Am Ende ist es nicht Geschichte geworden und ich habe mich ca. 3 Monate freudig, motiviert und intensiv mit einem mittelhochdeutschen Text befasst.

Nehmt euch außerdem Zeit für das Schreiben eurer Staatsexamensarbeit. Strukturiert eure Arbeitsphasen und wenn ihr mal einen Hänger habt: Kopf hoch! Einen Tag später sieht das Problem meist nur noch halb so groß aus.

Das sagt die Betreuerin:

Martin Schmähl wagt sich in seiner Staatsexamensarbeit an einen der großen weltliterarischen Texte, an den Tristan-Roman des Gottfried von Straßburg aus dem frühen 13. Jahrhundert. Er liest diesen komplexen und bereits intensiv erforschten Roman neu, indem er nach der Sympathielenkung fragt: Wie wird für die drei Personen Tristan, Isolde und Marke, die ehelich (Marke-Isolde) und unehelich (Tristan-Isolde) miteinander verbunden sind, geworben? Warum stellen wir uns auf die Seite Tristans, wann trennen wir uns von ihm?

Martin Schmähl behält sein Thema fest im Blick, er kennt die relevante Forschung zum Tristantext und zeigt in sehr guten und prägnanten Textanalysen, wie man einen literarischen Text des Mittelalters für das eigene Thema beschreibend analysieren kann. Ein großes Plus der Arbeit ist, dass sehr klar und souverän Szenen dieses großen Romans ausgewählt und analysiert wurden, so dass eine überzeugende Linie der Interpretation entstehen konnte und man die Arbeit gerne gelesen hat.

 

  • Jedes Jahr werden an der Philologischen Fakultät mehr als 500 Abschlussarbeiten geschrieben. Ab Wintersemester 2023/24 stellen wir einige davon im Detail vor.