Bereits vor über 300 Jahren entstand die Tradition der Ausbildung in sorbischer Sprache an der Universität Leipzig. Entdecken Sie die bewegte Geschichte, die zur Gründung unseres vergleichsweise jungen Instituts führte.

Koło časow so wjerći
[Das Rad der Zeit dreht sich]

aus dem Volkslied Beži woda von Mikławš Hajna (1876–1941)

Überblick über die Geschichte der sorbischsprachigen Ausbildung an der Universität Leipzig

Die erste sorbischsprachige Ausbildung begann an der Alma Mater Lipsiensis im Jahre 1716 mit der Gründung des sorbischen Predigerseminars Societas Lusatorum Sorabica durch einige sorbische Studenten der evangelischen Theologie. Neben Sprach- und Predigerübungen entstanden gedruckte Abhandlungen zur wendischen [= obersorbischen] Sprache und eine handschriftliche Zeitung.

Mit der Trennung des Sorabicums als spezielle Abteilung (Seminar) innerhalb der Lausitzer Predigergesellschaftwurde 1815 eine separate wissenschaftliche Abteilung mit dem Namen Sorabia geschaffen. Durch die Herausgabe der handschriftlichen Zeitung Sserska nowina von Handrij Zejler und Hendrich August Krygar war es nun möglich, eigene Werke, Volkslieder und Sprichwortsammlungen zu veröffentlichen. Auf diese Weise hinterließen die Mitglieder der Sorabia einen wichtigen Fundus für die sorabistische Forschung.

  • 1842 wurde der Sorbe Jan Pětr Jordan als Lektor und Doktor für slawische Sprachen und Literaturen an die Universität berufen und 1870 der Lehrstuhl für slawischen Sprachvergleich mit besonderer Berücksichtigung der wendischen Sprache gegründet.
  • Als August Leskien 1876 als ordentlicher Professor für slawische Philologie seine Tätigkeit aufnahm, weckte die sorabistische Sprachwissenschaft sein Interesse und es fanden Vorlesungen zur ober- und niedersorbischen Grammatik statt.
  • Der Slowene Matija Murko, Nachfolger Leskiens und ordentlicher Professor für slawische Philologie von 1917 bis 1920, engagierte sich ebenfalls für die Sorabistik und schlug die Gründung eines Lektorats für Sorbisch in Leipzig vor. Dies gelang ihm zunächst nicht, aber er konnte 1933 an der Karls-Universität in Prag die erste Professur für sorbische Sprache und Literatur mit Josef Páta besetzen.
  • Max Vasmer hatte von 1921 bis 1925 den slawistischen Lehrstuhl an der Universität Leipzig inne und veröffentlichte einige interessante Arbeiten zu sorabisti­schen Themen.
  • Karl Heinrich Mayer, Indogermanist und klassischer Philologe, bot als Privatdozent für slawische Philologie von 1921 bis 1927 Vorlesungen zur historischen Grammatik der sorbischen Sprache, zu sorbischen Volksliedern und Textinterpretationen an.
  • Auch Reinhold Trautmann, Lehrstuhlinhaber für Slawistik, hegte große Sympathie für das Sorbische und hielt in den 30er Jahren Vorlesungen zur sorbischen Sprachgeschichte.
  • Das Jahr 1946 markierte einen Umbruch für die Sorabistik. In Radibor wurde das sorbische Lehrerbildungsinstitut gegründet und so die didaktisch-wissenschaftliche Tätigkeit wiederhergestellt.
  • Mit der Verabschiedung des Sorbengesetzes 1948 in Sachsen bemühte man sich intensiv um die Einrichtung einer universitären sorabisti­schen Institution.
  • Reinhold Olesch, Ordinarius für slawische Philologie und Direktor des Slawischen Instituts an der Universität Leipzig, begründete 1949 das Lektorat für (ober)sorbische Sprache. Dazu wurde Michał Nawka als Dozent engagiert. So wurden anfangs in zwei Kursen 15 Studierende mit acht Wochenstunden unterrichtet.
  • Im gleichen Jahr entstand die sorbische Studierendenorganisation Sorabija, die sich programmatisch von der Wendischen Predigergesellschaft und Sorabia grundlegend unterschied, sich aber durchaus deren Traditionen verpflichtet fühlte.
  • Unsere Einrichtung wurde am 6. September 1951 unter dem Namen Sorbisches Institut an der Universität Leipzig gegründet. Sie bestand damals aus zwei Abteilungen: Sprache und Literatur war mit dem Slawischen Institut verknüpft und die Abteilung für sorbische Geschichte arbeitete mit dem Historischen Institut der Fachrichtung Geschichte zusammen. So wurden anfangs vorwiegend Lehrerinnen und Lehrer, Diplom-Slawistinnen und -Slawisten sowie Historikerinnen und Historiker ausgebildet.
  • Im Jahre 1968 erfolgte nach der zweiten Hochschulreform der DDR die Umbenennung in Institut für Sorabistik. Im Zuge der ersten Hochschulreform wurde Pawoł Nowotny von 1951 bis 1953 kommissarischer Leiter des Sorbischen Instituts.
  • 1955 wurde Pawoł Nedo zum Direktor ernannt und mit Wirkung seiner Wahrnehmungsprofessur mit Lehrauftrag für sorbische Volkskunde zum Beginn des Studienjahres 1960/61 auch offiziell in seinem Amt als Leiter bestätigt. Dank seiner Unterstützung wurde 1981 die Studienkombination Kulturwissenschaften/Sorabistik eingeführt.
  • Im Jahre 1964 übernahm Heinz Schuster-Šewc den Lehrstuhl und das Amt des Direktors, danach zeitweise auch der Historiker Jan Brankačk.

Mit der politischen Wende 1989 und strukturellen Veränderungen, erhielt das Institut für Sorabistik seine heutige Organisationsform. Nach Ronald Lötzsch und mehreren kommissarischen Leitungen (Wolfgang Sperber, Wolfgang F. Schwarz, Gerhild Zybatow, Tadeusz Lewaszkiewicz) übernahm Eduard Werner im Jahre 2003 die Professur und Geschäftsführung.

Ein ausführlicher Aufsatz zur Geschichte, Lehre und Forschung der Sorabistik an der Leipziger Universität ist von Dr. Tomasz Derlatka verfasst worden. Er wurde im Rahmen des 600. Universitätsjubiläums veröffentlicht.

Derlatka – Sorabistik
PDF 801 KB

Das könnte Sie auch interessieren

Publikationen

mehr erfahren

Forschungs­schwerpunkte

mehr erfahren