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Prof. Dr. Gerhard Poppenberg stellt mit seinem neuen Werk "Geist, Geschichte, Wirklichkeit" (Heidelberg, Winter Verlag, 2022) einen historisch und philologisch begründeten Europa-Gedanken vor.

In Geist, Geschichte, Wirklichkeit entfaltet Prof. Poppenberg einen ideengeschichtlich-historisch getragenen Europa-Gedanken. Ausgangspunkt hierfür sind seine Studien zu den vier großen Romanisten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Karl Vossler, Erich Auerbach, Ernst Robert Curtius und Leo Spitzer. Ihre historisch-ideengeschichtlichen Studien dienen ihm als Ausgangspunkt, um eine philologisch perspektivierte Denkweise vorzustellen, in der Sprach- und Literaturwissenschaft einerseits sowie Kulturgeschichte und Ideengeschichte andererseits zusammenwirken. In letzter Instanz geht es um die Frage, was historische Erkenntnis sein kann und sein sollte, und welche methodische Rolle der Philologie dabei zukommt. Die vier vorgestellten Philologen zeigen exemplarisch, wie die Philologie als Methode historische Erkenntnis erzeugen kann. In dieser Perspektive kann Poppenbergs Studie auch als ein Beitrag dazu verstanden werden, Europa philologisch-historisch weiter und neu zu denken.

Prof. Poppenberg war zuletzt bis 2020 Lehrstuhlinhaber für Romanische Literaturwissenschaft mit dem Schwerpunkt Hispanistik und Französistik an der Universität Heidelberg. Neben seinen zahlreichen im engeren Sinn romanistisch-literaturwissenschaftlichen Forschungsbeiträgen hat er allem voran auch literaturtheoretisch sowie ideengeschichtlich orientierte Untersuchungen vorgelegt. Dazu gehört auch die umfassende Studie zu den vier einflussreichen Romanisten. Knapp ein Jahrhundert später stellt sie eine Aufforderung dar, ihre theoretischen Grundsatzüberlegungen zunächst einer erneuten Prüfung zu unterziehen, um dann in deren Horizont die philologischen Fächer in ihrer gegenwärtigen methodischen Ausrichtung zu überprüfen und möglicherweise neu auszurichten.
Besonders erfreulich ist daher, dass Prof. Poppenberg als Eröffnungsredner des XXXVIII. Romanistentags gewonnen werden konnte, der vom 24. bis 27. September 2023 vom Institut für Romanistik in Leipzig ausgerichtet wird.

Gerhard Poppenberg ist zu Gast im Thomasius-Club. Er wird sein Buch kurz vorstellen und dann mit den Mitgliedern des Clubs und dem Publikum diskutieren. Im Zusammenhang des Buchs können drei Themenblöcke zur Diskussion kommen: das Philologische, das Geisteswissenschaftliche, die Geschichtlichkeit des Geistes.

Die Einsichten der vier Philologen in die Verfahrensweise des philologischen Geistes sind von sehr großer Tragweite für die methodische Konzeption der philologischen Fächer. Was ist für die Gegenwart und Zukunft der Philologien von diesen vier Romanisten zu „lernen“? Wie passt deren Konzept von Philologie und auch Kulturgeschichte in das Feld der heutigen Literaturwissenschaft und Kulturwissenschaft?

In einem zweiten Themenblock kann die Frage aufgeworfen werden, welche Anregungen in Rücksicht auf die Geisteswissenschaften und die Philosophie – sofern auch sie sich als eine Geisteswissenschaft versteht – aus diesen Reflexionen zu ziehen sind. Der Band ist in der Reihe „Beiträge zur historischen Ontologie“ erschienen. Die Frage ist also, was unter histori­scher Ontologie zu verstehen ist. Es geht zuletzt um die Frage, was historische Erkenntnis ist – oder sein sollte.

Schließlich könnte in einem letzten Themenblock über den „Ausblick“ des Buchs diskutiert werden. Die Ausführungen sind ein erster Versuch, die Konstellation von Hermeneutik und Strukturalismus / Dekonstruktion in einer diskursgeschichtlichen Perspektive zu analysieren. Dabei geht es – so die vorgelegte Deutung – um einen sehr ernsten und hochbedeutenden Konflikt grundsätzlicher Art, der verstehbar gemacht werden sollte für die Zukunft der Philologien und der Geisteswissenschaften allgemein.

Die Veranstaltung findet am 26. April 2023 um 20 Uhr im Café Alibi (Bibliotheca Albertina; Beethovenstr. 6; 04107 Leipzig) statt. Interessierte sind herzlich willkommen.