Erfahren Sie mehr über Identität und Intersektionalität in Adapationen von "Robinson Crusoe": In Ihrer Forschung untersucht Annika Scheel die komplexen Identitätsprozesse in der zeitgenössischen Robinsonade aus einer intersektionalen Perspektive. Sie konzentriert sich auf schiffbrüchige Protagonist*innen und deren Interaktionen mit dem Inselraum als wichtige Faktoren in der Identitätsrepräsentation eines zeitgenössischen Publikums.

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Foto einer Theater-Maske, die auf einem aufgeschlagenen Buch liegt
Foto: Colourbox.

Abstract

Was bedeutet es, im 21. Jahrhundert gestrandet zu sein, in einem Zeitalter der digitalen Kommunikation und einer globalen Kultur, die sich mit der Bedeutung von Ethnizität, Sexualität und Geschlecht auseinandersetzt?

Auf der Grundlage aktueller Theorien der Adaption Studies untersuche ich in meiner Doktorarbeit die Rolle von Identität und Intersektionalität in der Robinsonade des 21. Jahrhunderts sowie das Erbe von Daniel Defoes „Robinson Crusoe“ in zahlreichen Adaptionen der zeitgenössischen Populärkultur. Meine Dissertation nimmt sich zwei Aufgaben an: Erstens analysiert sie die Darstellung von Identität in populären Adaptionen der Robinsonade und zweitens untersucht sie die Art und Weise, wie die Adaptionen von verschiedenen Publikumsgruppen auf- und wargenommen werden. Im Mittelpunkt meiner Untersuchung steht die Darstellung der schiffbrüchigen Protagonisten, die als Vermittler zwischen dem fiktiven Inselraum und dem Publikum fungiert. Der/die Schiffbrüchige, und damit die einsame Insel, ist in der Tat eine kulturelle Fantasie, eine Leinwand, auf die alle möglichen Wünsche, Fantasien und Ängste projiziert werden können. Infolgedessen kann der Schiffbrüchige immer wieder neu imaginiert und entsprechend den populären Identitätsdiskursen transformiert werden, ganz im Sinne der jüngsten Bewegungen wie #MeToo oder #BlackLivesMatter. Durch die Analyse verschiedener Identitäten auf intra- und intertextueller Ebene möchte ich die zugrunde liegenden Prozesse von Macht, Autorität und Identitätskonstruktion sowie die Beziehungen zwischen Autorschaft, Leser*innenschaft und Defoes Vermächtnis beleuchten.

Meine derzeitigen Thesen lauten wie folgt:

1. Die Inselidentität der schiffbrüchigen Protagonisten ermöglicht es Autoren und Publikum, soziokulturelle Normen und Konventionen zu untersuchen, indem populäre narrative Tropen auf engem Raum bestätigt oder unterlaufen werden.

2. Durch den Konsum und die Reproduktion der Erzählung kann sich das Publikum an populären Diskursen beteiligen und die Texte in einem intersektionalen Rahmen verorten.

In Bezug auf diese Thesen untersuche ich, inwieweit die in den Robinsonaden des 20. Jahrhunderts vorherrschenden Diskurse, wie feministische oder postkoloniale Adaptionen, immer noch präsent sind und in welcher Weise sie sich möglicherweise verändert haben. Darüber hinaus werden die Machtverhältnisse, die der Identitätsdarstellung innewohnen, in Bezug auf die Inselerzählung untersucht.

Die Primärquellen für meine Arbeit wurden aus einem umfangreichen Korpus von etwa 750 zeitgenössischen Robinsonaden ausgewählt, darunter Romane, Filme, Fernsehsendungen und Videospiele. Der Roman als Genre mag als die am wenigsten innovative Form der Robinsonade erscheinen - schließlich wird Crusoes Text oft als erster englischer Roman zitiert -, seine Rolle in der Populärkultur des 21. Jahrhunderts ist dennoch interessant.  Der Aufstieg des Self-Publishing und der Online-Vermarktung hat die Branche für eine viel größere Gruppe von Autoren geöffnet, die in der Lage sind, die Erzählung schnell und entsprechend den aktuellen Trends anzupassen. Film und Fernsehen liefern einen wertvollen audiovisuellen Aspekt für die Analysen und bieten eine große Vielfalt an Publikumsbewertungen, Reproduktionen und Interaktionen über Memes und GIFs. Der interaktive Aspekt von Videospielen schließlich ermöglicht es dem Publikum, sich direkt mit dem Text auseinanderzusetzen, mögliche Ergebnisse zu beeinflussen und Prozesse der Selbstidentifikation zwischen Spieler und Protagonist in Gang zu setzen.

Vorträge und Publikationen

Kolloquium des Instituts für Anglistik in Leipzig, 29.6.22 Vortrag zu Madagascar: Escape 2 Africa – Hegemonic Masculinities, Didactics, and the 21st Century Children’s Robinsonade

Workshop Novel Histories: New Approaches to Eighteenth-Century Fiction, Tübingen 21.-22.7.2022 Vortrag zu Madagascar: Escape 2 Africa – Hegemonic Masculinities, Didactics, and the 21st Century Children’s Robinsonade

Vortrag auf der ESSE 29.8.-2.9.2022 im Panel Configurations of Friday zu Welcome to the Jungle: The Lemurs of Madagascar (2005) as Representation of the Island Space as Other

Postgraduate Forum der Britcult 17.-19.11.2022, Vortrag zu Island Fantasies - The Body, Desire, and Gender Identity in the 21st Century Robinsonade

Workshop und Gründungstreffen des Regionalen Nachwuchsverbunds, Halle 5.5.2023, Vortrag zu LOST in Migration: Race, Ethnicity and Space in the ABC Series

Kolloquium des Instituts für Anglistik in Leipzig, 5.7.23, Vortrag zu Paradise and Providence: The Legacy of Daniel Defoe’s Mercantile Religiosity in BioShock Infinite