'CrossMoGram' ist ein gemeinsames DFG-AHRC-Projekt, das zwei Forschungsteams zusammenbringt, eines an der Universität Leipzig, das andere an der University of Central Lancashire (Preston, UK).

Dieses Projekt wird gemeinsam durchgeführt von einer hörenden Typologin und Kreolsprachexpertin (Susanne Maria Michaelis) und einem tauben Soziolinguisten und Gebärdensprachexperten (Nick Palfreyman), um in dieser einzigartigen Kombination ein außergewöhnlich innovatives Programm umzusetzen, das unser Verständnis von Kreolsprachen (KS), Gebärdensprachen (GS) und Sprachwandelprozessen im allgemeinen deutlich voranbringt.

Im Rahmen unseres modalitätsübergreifenden Grammatikalisierungsprojekts ('CrossMoGram') vergleichen wir Sprachwandelprozesse in Kreolsprachen und Gebärdensprachen systematisch in Bezug auf ihre Aspektmarker. Während Kreolsprachen gesprochene Sprachen sind, die sich der oral-auralen Modalität bedienen, werden Gebärdensprachen manuell und nicht-manuell (z.B. mit Mimik) produziert und in der Regel visuell wahrgenommen. Somit kann man die Forschung zu Kreolsprachen und Gebärdensprachen als modalitätsübergreifend bezeichnen. Auf der Grundlage der Forschungsliteratur gehen wir von zwei Hypothesen aus:

 

Hypothese 1:

Aspektmarker in Kreolsprachen und Gebärdensprachen nehmen unterschiedliche Grammatikalisierungspfade, da Gebärdensprachen im Vergleich zu Kreolsprachen (und anderen Lautsprachen) modalitätsabhängige Pfade aufweisen können. (In Gebärdensprachen werden frisch grammatikalisierte Marker z.B. direkt aus Co-speech-Gesten gewonnen, unter Umgehung eines anfänglichen lexikalischen Stadiums, ein Weg, der für Lautsprachen so nicht dokumentiert ist.)

Wenn wir davon ausgehen, dass sich Gebärdensprachen und Kreolsprachen hinsichtlich bestimmter Grammatikalisierungsprozesse ähnlicher zueinander verhalten als jeweils zu anderen Lautsprachen, können wir eine weitere Hypothese aufstellen:

 

Hypothese 2:

Im Bereich von Aspekt weisen Kreolsprachen und Gebärdensprachen einen höheren Grad an frisch grammatikalisierten Elementen (Auxiliare, Partikeln) auf als andere Lautsprachen und einen geringeren Grad an stark grammatikalisierten Elementen (Affixe, Stammwechsel etc.).

 

Ziel des Projekts

Sowohl Kreolsprachen als auch Gebärdensprachen fehlen in breit angelegten typologischen Arbeiten zur Grammatikalisierung in den Sprachen der Welt. Deshalb sind weit verbreitete Annahmen in der Grammatikalisierungsforschung als nur vorläufig zu betrachten, solange sie nicht an systematisch aufbereiteten Daten aus Kreolsprachen und Gebärdensprachen überprüft werden. Um herauszufinden, ob Kreolsprachen und Gebärdensprachen ähnliche Grammatikalisierungsprozesse aufweisen, ist es methodisch notwendig, (a) solche Prozesse in beiden Sprachtypen miteinander zu vergleichen und (b) potenzielle Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Kreolsprachen und Gebärdensprachen vor dem Hintergrund weltweiter diachron-typologischer Studien zu vergleichen (Bybee et al. 1994, Kuteva et al. 2019, Bisang & Malchukov 2020): Erst dann kann man mögliche kreolsprach-/ gebärdensprach-spezifische Muster entdecken. 

Das wichtigste wissenschaftliche Ergebnis des Projekts ist die in Open Access publizierte CrossMoGram-Datenbank (im CLLD-Programm wie z.B. WALS oder APiCS), die erstmals systematisch und vergleichend strukturelle Sprachwandelprozesse in Kreolsprachen und Gebärdensprachen im Bereich des grammatisches Aspekts dokumentiert. Diese modalitätsübergreifenden Daten schaffen eine verlässliche Grundlage, die es uns und zukünftigen Wissenschaftler:innen ermöglicht, grammatische Veränderungsprozesse in Kreolsprachen und Gebärdensprachen auf einer soliden empirischen Basis zu klassifizieren und zu erklären.