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Mit mehr als 400 Teilnehmern fand vom 24. bis zum 27. September 2023 in Leipzig der 38. Romanistentag zum Rahmenthema „Präsenz und Virtualität“ statt.

Die Rektorin der Universität, Eva Inés Obergfell, wies in ihrer Ansprache zur Eröffnung des Kon­gresses auf eigene biographische Verbindungen mit der romanischsprachigen Welt hin und betonte die Bedeutung der traditionsreichen Leipziger Romanistik für die Fächerviel­falt und die interdiszi­pli­näre Dynamik an der Alma Mater Lipsiensis. Als Festredner führte Gerhard Pop­penberg (Heidel­berg) in die marianische Ikonographie ein, um am Beispiel der ritu­ellen Prak­tiken um die virgen de Guadalupe in Mexiko die Bedeutung einer religiösen Kultur der Präsenz auf­zuzeigen.

Ein Novum des Leipziger Romanistentags waren drei inter­national besetzte Plenar­vor­träge zu aktu­ellen Forschungsthemen aus den zentralen romanisti­schen Teildisziplinen (der lin­guis­tische Beitrag von Mathieu Avanzi, Neuchâtel, musste leider krank­heits­bedingt entfallen): In ihrem lite­raturwissenschaftlichen Vortrag präsentierte Francisca Noguerol Jiménez (Salaman­ca) ein breites Panorama von zeitgenössischen, vor allem latein­amerikanischen Texten, die sie – unter anderem unter Rückgriff auf Überlegungen von Hans Ulrich Gumbrecht – anhand von Katego­rien wie „Körper“ und „Materialität“ untersuchte, um so zu verdeutlichten, wie die Span­nung zwischen Präsenz und Virtualität literarisch verhandelt wird. Mirjam Egli Cuenat (PH Nord­west­schweiz) stellte in ihrem fachdidaktischen Plenarvortrag eine empirische Untersuchung zur Fä­hig­keit von Grundschülern vor, im Französischunterricht kohärente Texte in einer indi­rek­­ten Kommunika­tionssituation zu produzieren. Der Vortrag knüpfte insofern an das Rah­men­thema des Kongresses an, als Schriftlichkeit eine zeitversetzte, und damit „virtuelle“ Kom­munika­tion erlaubt und als im Fremdsprachenunterricht „virtuelle“ Sprachkompetenzen im Sinne von Trans­languaging aufge­baut werden können.

Das ambitionierte Kulturprogramm des Kongresses bot einen facetten­reichen Einblick in aktuelle künstlerische Produktionen der Romania: Der italieni­sche Autor Vincenzo Latro­nico las aus sei­nem jüngst auf Deutsch erschienenen Roman Le perfezioni (2022) und diskutierte im Li­te­ra­­tur­haus mit Uta Felten (Leipzig) über Hyperrealität, Medialisierung der Wahrnehmung und Ber­lin als Sehn­suchtsort der digitalen italienischen Bohème. Noch am Eröffnungsabend lud die Schau­­bühne Lin­den­fels zur „queeren Nacht“, die Fragmente der Lyrik Pasolinis in einen ima­gi­nären Dia­log mit aus­gewählten Passagen aus dem autofiktionalen Roman Lo que aprendí de las bestias (2021) der ar­gen­tinischen Filmemacherin Albertina Carri stellte. Im Anschluss wurde Carris post­porno­gra­phi­scher Roadmovie Las hijas del fuego (2018) gezeigt. 

Bereichert wurde der 38. Romanistentag vor allem durch die Präsenz von hochkarä­tigen inter­na­tionalen Vertreterinnen und Vertretern des Fachs. So gaben etwa der argentinische Lite­ratur­wis­sen­schaftler und Schriftsteller Daniel Link (Buenos Aires) oder der argentinische Kul­tur­wissen­schaft­ler Jens Andermann (New York) neue epistemologische Impulse für eine Stand­ort­be­stim­mung der Romanischen Philologie im digitalen Zeitalter. Der Linguist Johannes Kabatek (Zürich) stellte vor voll besetzten Reihen sein neues Buch über Eugenio Coseriu vor und gab dabei wert­volle, auch persönliche Einblicke in ein bislang noch wenig beleuchtetes Kapitel der jüngeren Fachgeschichte.

Begünstigt durch herrliches Spätsommerwetter und die entspannte Atmosphäre am Cam­pus wurde der Leipziger Romanistentag zu einer inspirierenden, kurzweiligen und ertrag­reichen Zeit des fach­lichen Austauschs und der mensch­­lichen Begegnungen. Nicht zuletzt gilt das für das Con­ference Dinner, das am Dienstagabend neben gutem Essen und Trinken einen stil­vollen Rah­men für Ge­sel­lig­keit und Unterhaltung jenseits des wissen­schaft­lichen Pro­gramms ge­bo­ten hat. Die energie­ge­ladene Live-Musik des multilingualen Berliner Samba-Kollektivs A Panda do Sol tat ihr Übri­ges, um die Kongressgesellschaft in Stimmung zu bringen.

Dem Organisationskomitee und allen an der Vorbereitung des Kongresses be­tei­ligten Mit­arbeitern und Studierenden war es eine große Freude, die aus aller Welt angereisten Gäste in Leipzig be­grüßen zu dürfen. Der 38. Romanistentag wird uns in wunderbarer Er­innerung bleiben.