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Neues Projekt, neue wissenschaftliche Mitarbeiterin, neue Perspektiven auf die TMA-Frage: AHRC-DFG Projekt am Institut für Romanistik zum Thema "Modalitätsübergreifende Perspektiven der Grammatikalisierung: Aspektmarker in Kreolsprachen und Gebärdensprachen".

Das Institut für Romanistik begrüßt zum 1. Februar 2023 Frau Dr. Susanne Michaelis als Mitarbeiterin und Leiterin eines eigenständig eingeworbenen Projektes zu Aspektmarkern in Kreol- und Gebärdensprache zusammen mit Herrn Dr. Nick Palfreyman (UCLan, Preston). Kreolsprachen und Gebärdensprachen zeichnen sich dadurch aus, dass sie zwei unterschiedliche Kodierungsformen für Modalität verwenden. Beide Sprachen zeigen verblüffende Ähnlichkeiten auch bei der Entwicklung ihrer Grammatiken. Insbesondere wird behauptet, dass sich die Grammatiken von Kreolsprachen und Gebärdensprachen schnell verändert haben, dass sie aber einige der "ausgereifteren" Merkmale anderer Sprachen (wie Affixe und feste Positionen für bestimmte Funktionswörter) nicht aufweisen. Diese beobachteten Ähnlichkeiten wurden jedoch noch nie auf eine Weise untersucht, die eine große Anzahl von Sprachen berücksichtigt. Dies ist nun das Ziel des Projektes mit dem Titel „Modalitätsübergreifende Perspektiven der Grammatikalisierung: Aspektmarker in Kreolsprachen und Gebärdensprachen“.

Das AHRC-DFG-Projekt passt inhaltlich hervorragend zu dem Forschungsschwerpunkt Tempus, Modus und Aspekt. Außerdem sind die romanischen Sprachen entscheidend als lexifier languages für zahlreiche Kreolsprachen, sodass eine Verankerung des Projektes am Institut für Romanistik sehr naheliegend ist.

Frau Dr. Michaelis hat in Freiburg Romanische Philologie, Slawistik und Linguistik studiert und wurde 1991 mit einer Dissertation zum Thema Junktion von Sachverhaltsdarstellungen im Seychellen-Kreol promoviert. Von 2015 bis 2020 war sie als Gastwissenschaftlerin am Max-Planck-Institut in Jena tätig und wechselte 2020 an das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie an der Universität Leipzig. Durch diverse Funktionen an den genannten Max-Planck-Instituten und einschlägige Projekte ist Frau Dr. Michaelis eine unumgängliche Größe in Bereich der Kreolistik in Deutschland geworden.

Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit in den kommenden 3 Jahren, heißen Frau Dr. Michaelis in Leipzig herzlich willkommen und wünschen dem ungewöhnlichen Forscherteam, geleitet von einer hörenden Spezialistin für Kreolsprachen und Sprachenvielfalt und einem gehörlosen Forscher mit Erfahrung in der Gebärdensprachforschung, viel Erfolg für das Projekt.

 

AHRC-DFG Projekt am Institut für Romanistik

Modalitätsübergreifende Perspektiven der Grammatikalisierung: Aspektmarker in Kreolsprachen und Gebärdensprachen

Das Projekt vergleicht zwei in der Forschung oft übersehene Arten von Sprachen: Kreolsprachen und Gebärdensprachen. Diese Sprachen funktionieren auf unterschiedliche Weise (sie verwenden verschiedene Modalitäten), weshalb die Projektleitenden ihre Forschung als „modalitätsübergreifend“ beschreiben.

Kreolsprachen sind eine Form der gesprochenen Sprache, die im Kontext der europäischen kolonialen Expansion entstand. Dabei wurden die Sprachvarietäten kleiner, aber dominanter Gruppen von Händlern oder Kolonialisten von einer großen Anzahl dominierter Menschen in unterschiedlichem Maße übernommen und umstrukturiert.

Gebärdensprachen sind keine gesprochenen Sprachen, sondern werden mit den Händen und anderen Elementen wie Mimik und Kopfbewegungen erzeugt. Die meisten Gebärdensprachen entwickelten sich auf natürliche Weise dort, wo eine kritische Anzahl von Gehörlosen regelmäßigen Kontakt hatte. Forscher stellten häufig Ähnlichkeiten zwischen Kreolsprachen und Gebärdensprachen in ihrem sozialen Umfeld fest, z. B. in Bezug auf die Art und Weise, wie sie entstehen und an neue Generationen von Benutzenden weitergegeben werden.

In der Vergangenheit wurden Kreolsprachen und Gebärdensprachen oft stigmatisiert und als "minderwertiger" angesehen als gesprochene und geschriebene Sprachen wie Englisch und Deutsch. Verblüffende Ähnlichkeiten wurden auch bei der Entwicklung der Grammatiken dieser Sprachen festgestellt. Insbesondere wird behauptet, dass sich die Grammatiken von Kreolsprachen und Gebärdensprachen schnell verändert haben, dass sie aber einige der "ausgereifteren" Merkmale anderer Sprachen (wie Affixe und feste Positionen für bestimmte Funktionswörter) nicht aufweisen. Diese beobachteten Ähnlichkeiten wurden jedoch noch nie auf eine Weise untersucht, die eine große Anzahl von Sprachen berücksichtigt.

Im Rahmen des CrossMoGram-Projekts werden Kreolsprachen und Gebärdensprachen in einem bestimmten Bereich der Grammatik systematisch verglichen: dem Aspekt. Der Aspekt bezieht sich auf die Art und Weise, wie Ereignisse dargestellt werden (ein einfaches Beispiel sind die Unterschiede in der Darstellung der englischen Verben „eat“ und „arrive“ im folgenden Satz „I was eating when my friend arrived.“). Es soll untersucht werden, wie ähnlich sich Kreolsprachen und Gebärdensprachen in der Verwendung von Aspekt sind. Leitfragen sind unter anderem: Ähneln sich die jeweiligen Systeme stärker als sie jenen anderer gesprochenen Sprachen ähneln? Und stimmt es, dass Kreolsprachen und Gebärdensprachen im Vergleich zu anderen Sprachen nicht die „entwickelteren“ Merkmale aufweisen? Und wenn sich die Teile der Sprache, die einen Aspekt aufweisen, verändern, ändern sie sich dann in Kreolsprachen und Gebärdensprachen auf ähnliche Weise?

Zu diesem Zweck werden umfangreiche Forschungsarbeiten zum Aspekt in Kreolsprachen ausgewertet, darunter auch Quellen, die uns zeigen, wie sich Wörter im Laufe der Zeit verändert haben. Zu Gebärdensprachen gibt es viel weniger Forschung, daher werden Michaelis und Palfreyman sieben Korpora (Sammlungen von Gebärdensprachdaten) auswerten, um zu untersuchen, wie Gebärdensprachlerinnen und -sprachler den Aspekt in diesen Gebärdensprachen ausdrücken. Neben akademischen Veröffentlichungen ist eines der wichtigsten Vorhaben des Projektes der Aufbau einer Sprachdatenbank, die von anderen Forschenden genutzt und ergänzt werden kann, und zwar nicht nur für den Aspekt, sondern auch für andere Bereiche der Grammatik.

Gebärdensprachbenutzende und Sprechende von Kreolsprachen waren in der Vergangenheit beide mit Unterdrückung aufgrund von Missverständnissen über ihre Sprachen konfrontiert. Mit dem neuen Projekt, das im Februar 2023 startet, wollen die beiden Forschenden auch die Möglichkeit schaffen, dass Gebärdensprecherinnen und -sprecher sowie Kreolsprecherinnen und -sprecher einige falsche Vorstellungen korrigieren, die sie selbst über ihre eigenen Sprachen haben.