Wird das Englische auf internationaler Ebene bald alle anderen Sprachen verdrängen und werden verschiedene Sprachenberufe bald durch die Maschine ersetzt? Dies waren zwei Leitfragen des Podiums „Einheit und sprachliche Vielfalt“ am dies academicus am 2. Dezember 2022, dem 613. Jahrestag der Gründung der Universität Leipzig.

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Im Podium von links nach rechts: Prof. Dr. Grit Mehlhorn (Institut für Slavistik), MdEP Dr. Katarina Barley (Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments), Prof. Dr. Oliver Czulo (Institut für Angewandte Linguistik und Translatologie), Dr. Gesine Märtens (Staatssekretärin im Sächsischen Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung)
Im Podium von links nach rechts: Prof. Dr. Grit Mehlhorn (Institut für Slavistik), MdEP Dr. Katarina Barley (Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments), Prof. Dr. Oliver Czulo (Institut für Angewandte Linguistik und…

Der Impulsvortrag des Prorektors für Campusentwicklung, Professor Matthias Middell, griff diese Leitfragen sogleich auf. Professor Matthias Middell wies darauf hin, wie wichtig die Festlegung auf eine gemeinsame Sprache für die Nationenbildung Frankreichs als gemeinsames Identität stiftendes Element war und stellte die Frage in den Raum, ob das Englische für den europäischen Raum nicht eine ähnliche Rolle spiele. Diesen Impuls griffen im Verlauf der Diskussion auch die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments Dr. Katarina Barley und die Staatssekretärin Dr. Gesine Märtens aus dem Staatsministerium der Justiz, für Demokratie, Europa und Gleichstellung auf. In ihren Beiträgen unterstützten sie die Sicht auf das Englische als die verbindende Sprache in Europa.

Die Relevanz der Sprachen jenseits des Englischen wurde hingegen von Professorin Grit Mehlhorn vom Institut für Slavistik der Philologischen Fakultät Leipzig hervorgehoben. Professorin Grit Mehlhorn gab einen Einblick in die Lage der slawischen Sprachen gerade in den Grenzgebieten zwischen Polen, Tschechien und Deutschland: Hier sei ein Rückgang der Lernwilligkeit der jeweiligen Nachbarsprachen zu verzeichnen, was unter anderem mit der Dominanz des Englischen als Verkehrssprache und dem niedrigeren Status der slawischen Sprachen im Vergleich zu typischen Bildungssprachen wie dem Französischen zu erklären sei. Dennoch, so das Plädoyer auch von Professor Oliver Czulo vom Institut für Angewandte Linguistik und Translatologie, der die Veranstaltung moderierte, sei die Relevanz der jeweiligen Nachbarsprachen hoch und interkulturelle, didaktische wie translatorische Kompetenz gefragt. Einzelne Initiativen wie z.B. der B. A. Interkulturelle Kommunikation und Translation Tschechisch-Deutsch würden für ein gewisses Interesse sorgen, aber den Bedarf – mit Blick auf wirtschaftliche Notwendigkeiten ebenso wie auf das interkulturelle Verhältnis – nicht ausreichend abdecken.

Der Aspekt der Vielsprachigkeit blitzte nochmal stark auf, als Gesine Märtens die Initiative ergriff und sich für ein Recht auf Dolmetschung bei Behörden aussprach. Es setzte eine kurze Debatte zwischen Katarina Barley mit ihrem Blickwinkel als ehemalige Bundesjustizministerin und Gesine Märtens als Staatssekretärin des Landes Sachsen über Rahmenbedingungen und Zuständigkeiten ein, die dem Publikum einen Einblick in die rechtliche und fiskalische Komplexität einer Umsetzung eines solchen Rechts gewährte.

Der große Themenblock der Rolle der Technologien konnte im Verlauf der Diskussion nur gestreift werden. Lebhaft berichtete dabei Katarina Barley von einer laufenden Kampagne am Europäischen Parlament, die für eine Fernteilnahme an Sitzungen vorgeschriebene Mikrofone zu verwenden, die die entsprechende Tonqualität besäßen. Hintergrund: Bei schlechten Mikrofonen werden Stör- und Knackgeräusche oftmals verstärkt, was auf Dauer zu Hörschäden bei den Dolmetschenden führen kann; daher läuft derzeit ein Boykott der angestellten Dolmetscher:innen gegenüber Ferndolmetscheinsätzen. Daneben wurde noch kurz erörtert, inwiefern die Verfügbarkeit von Translationsdienstleistungen für die Justiz des Landes Sachsen mit Hilfe moderner, schwarmbasierter Techniken – also beispielsweise einer Auftragsvergabe für Gerichtsdolmetscheinsätze über ein webbasiertes Tool – verbessert werden könnte.

Die Podiumsteilnehmenden erschienen noch gar nicht müde, als sich die Veranstaltung nach beinahe zwei Stunden Diskussion ihrem Ende näherte. Offenkundig ist das Thema Sprachen auch politisch ein relevantes. Das Podium musste dann zwar geschlossen werden, die Debatte über die Relevanz der Sprachen für ein geeintes Europa geht aber auch im Anschluss sicher weiter.

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Prof. Dr. Matthias Middell, Prorektor für Campusentwicklung; Foto: Felix Hoberg
zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Foto: Felix Hoberg
zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Foto: Felix Hoierg

Prof. Dr. Oliver Czulo