Lisa Dücker (Philipps-Universität Marburg)
Was steuert die satzinterne Großschreibung in der Frühen Neuzeit?
Im Rahmen der Vortragsreihe „Sprachwissenschaftliche Vorträge am Institut für Germanistik in Leipzig“ (SPIGL) werden Projekte und aktuelle Forschungsfragen von Sprachwissenschaftler:innen aus dem Institut für Germanistik und von Gästen vorgestellt. Die Vorträge finden dienstags ab 18:00 Uhr (s.t.) in Hörsaal 5 im Hörsaalgebäude am Campus Augustusplatz statt und werden über Zoom gestreamt.
Was steuert die satzinterne Großschreibung in der Frühen Neuzeit?
Eine korpuslinguistische Analyse von Hexenverhörprotokollen
Lisa Dücker (Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas, Philipps-Universität Marburg)
Abstract
Die Großschreibung ist bereits seit dem Beginn der sprachlichen Überlieferung ein Teil der deutschen Sprache. Satzinterne Großschreibung mit Majuskelsetzung bei allen Appellativa ist hingegen sprachgeschichtlich gesehen ein eher rezentes Phänomen. Der Wechsel von der Majuskelsetzung zur Hervorhebung textlich relevanter Entitäten zur Markierung von Substantiven bzw. Kernen von erweiterbaren Nominalphrasen geschieht vor allem im Verlauf des 16. und 17. Jahrhunderts (vgl. Bergmann & Nerius 1998).
Dass die Ausbreitung der satzinternen Großschreibung von Substantiven bei den Personenbezeichnungen beginnt und erst deutlich später unbelebte Konkreta und Abstrakta erfasst, wurde bereits zuvor mehrfach gezeigt (vgl. u.a. Risse 1980, Moulin 1990, Bergmann & Nerius 1998). Jedoch wurden diese Beobachtungen bislang nie auf den Einfluss des Faktors Belebtheit zurückgeführt. Gleichzeitig wurden aber auch innerhalb einzelner Belebtheitsstufen teils große Schwankungen im Großschreibungsverhalten feststellen kann (bspw. zwischen Bezeichnungen für Männer und Frauen). Das bedeutet, dass neben der Belebtheit noch weitere semantische und kontextabhängige Faktoren wie syntaktische Funktion und semantische Rolle einen Einfluss auf die Entwicklung der Großschreibung nehmen.
In meinem Vortrag präsentiere ich eine Analyse der satzinternen Majuskelsetzung im SiGS-Korpus (Szczepaniak et al. 2023), das aus Protokollen von sog. Hexenverhören aus dem Zeitraum 1570–1665 besteht. Dabei steht der Einfluss von Belebtheit, syntaktischer Funktion und semantischer Rolle im Fokus. Es zeigt sich, dass unter diesen dreien die Belebtheit den größten Einfluss hat, und dass rein quantitative Analysen nicht ausreichen, um die Majuskelsetzungspraxis in dieser Textsorte zu erfassen (vgl. Dücker 2024).
Literatur
Bergmann, Rolf & Dieter Nerius (1998): Die Entwicklung der Großschreibung im Deutschen von 1500 bis 1700. Heidelberg: Winter.
Dücker, Lisa (2024): Satzinterne Großschreibung in Hexenverhörprotokollen der Frühen Neuzeit. De Gruyter.
Moulin, Claudine (1990): Der Majuskelgebrauch in Luthers deutschen Briefen (1517 - 1546). Heidelberg: Winter.
Risse, Ursula (1980): Untersuchungen zum Gebrauch der Majuskel in deutschsprachigen Bibeln des 16. Jahrhunderts: Ein historischer Beitrag zur Diskussion um die Substantivgroßschreibung. Heidelberg: Winter.
- Den Link zum Stream finden Sie ca. 30 Minuten vor Veranstaltungsbeginn auf der Veranstaltungswebseite.
Autor: Dr. Diana Walther