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Rocha, Rochus und Rochade, wie spricht man Namen im fremdsprachllichen Kontext aus? Ein Gastbeitrag unseres Beraters für romanische Namen Prof. Dr. Dieter Kremer

Rocha, Rochus und Rochade

Der kürzlich gesendete „Lissabon-Krimi“ (ARD) lädt zu einer kleinen Glosse ein. Die (nicht nur namenkundliche) Frage lautet: Wie spricht man (nicht nur) Namen im fremdsprachlichen Kontext aus? Hier wäre weiter auszuholen, da verschiedene technische Dinge zusammenkommen: Die Geschichte spielt im portugiesischen Kontext/Milieu, die Besetzung ist sprachlich gemischt, die deutsche Fassung ist teilweise synchronisiert. Bei allem aber soll die charakteristische Atmosphäre der portugiesischen Hauptstadt wiedergegeben werden. Das gelingt weitgehend, gäbe es nicht einige, durchaus vermeidbare, sprachliche Fauxpas. Diese werden einem mit dem Portugiesischen nicht vertrauten Zuschauer nicht weiter auffallen, doch stören sie die durchaus dichte Stimmung. Auch können sie eine nur sehr vage Vorstellung von der sprachlichen Alltagswelt der ohnehin für deutsche Ohren nicht ganz einfachen Weltsprache Portugiesisch (nuschelige, nasale Aussprache u.ä.) vermitteln, die von ihrer (jüngeren) brasilianischen Variante deutlich zu unterscheiden ist. Das konkrete Problem in diesem Film ist die Synchronisation eingefangener Sprachfetzen. Offenbar haben die Synchronsprecher einen Text abgelesen (also optisch wahrgenommen) und nicht im Originalton gehört.

Am Beispiel des im Film mehrfach genannten Familiennamens Rocha lässt sich das deutlich machen, auch ohne eine längere Abhandlung zur Aussprache des (europäischen) Portugiesischen vorauszuschicken. Hierzu zählt etwa die unterschiedliche Aussprache des -r-, je nach „Länge“ (Anlaut oder -rr- gegenüber einfachem -r-). Einen Ach-Laut kennt das Portugiesische nicht, weshalb die im Film zu vernehmende „deutsche“ Aussprache des Familiennamens Rocha durchaus schockiert. Die Aussprache des portugiesischen Graphems [ch] entspricht genau der der französischen Entsprechung, etwa in Charles (ohne Artikulation des -s, wie es im englischen Lehnnamen Charles noch gesprochen wird) und ist deutlich von der spanischen „affrikaten“ Aussprache /tch/ zu unterscheiden. Laut und entsprechendes Graphem sind im Portugiesischen sehr häufig, etwa chamar "rufen, nennen" (spanisch llamar, itailenisch chiamare < lateinisch clamāre), chorar "weinen" (span. llorar, altital.  piorare, franz. pleurer < plorāre), chouriço "Wurst" (Etymologie ungeklärt) usw.

Unser konkretes Beispiel Rocha (mit „offenem -o-) – der Familienname steht in Portugal auf dem 32., in Brasilien auf dem 15. Rang, in Deutschland gibt es laut Geogen immerhin 190 Telefonanschlüsse – ist darüber hinaus auch wortgeschichtlich nicht uninteressant. Es handelt sich um eine sehr alte Entlehnung aus dem „Französischen“ roche s.f. "Felsen", das in zahlreichen französischen und (nicht nur) portugiesischen Ortsnamen begegnet. Bekannt sind etwa die Ableitung La Rochelle und das Kosmetikunternehmen Hoffmann-La Roche. Hier käme vermutlich niemand auf die Idee, Roche wie dt. Rochen auszusprechen…

Komplizierter verhält es sich mit dem äußerlich ähnlichen Heiligennnamen Rochus (Schutzheiliger gegen die Pest) und dem Schachterminus Rochade. Diesen würde man spontan wohl als Ableitung von franz. roche interpretieren, ihn also /ro∫ade/ aussprechen (diese Alternative wird in den gängigen Wörterbüchern angegeben), wozu sich auch das Verb rochieren gesellt. Im Französischen lautet die Entsprechung allerdings roc oder roque und das Verb roquer (ital. arrocco/arroccare, span. roque/enrocar und port. roque/fazer roque), die frz. Entsprechung lautet also rocade. Die deutsche Bezeichnung ist über das Niederländische roc (entlehnt aus französisch roc) als Roch bzw. Roche übernommen worden (vgl. das Grimmsche Wörterbuch), die ∫-Aussprache ist daher unrichtig. Etymologisch handelt es sich um einen Fachterminus des Schachspiels, der ursprünglich aus dem Persischen stammt und über das Arabische (ruḫḫ) auf die Iberische Halbinsel (span. roque) und von dort nach Mitteleuropa gelangte.

Wenig sicher ist die genaue etymologische Herkunft des Heiligennamens Rochus (frz. > span., port. Roque, it. Rocco), der Heilige (gest. 1327, Montpellier) ist Träger eines älteren Namens. Rocco ist in Frankreich seit 614, in Italien seit 839 überliefert, was eine germanische Herkunft nahelegen könnte. Hier käme ein (diskutiertes) Namenelement *hroc in Betracht (vgl. dazu als ältestes Beispiel den Namen Crocus eines Alemannenkönigs, 4. Jahrhundert), das auch in zahlreichen Namen als Endelement -roch begegnet. Die Verbindung mit frz. roque "Felsen" (vgl. Petrus!) oder gar unserem persischen Schachwort roc/roque ist durchaus unwahrscheinlich.

Etwas völlig anderes ist die Integration von jüngeren ursprünglichen Fremdwörtern ins Deutsche. Hier findet meist eine Anpassung an das „Sprachgefühl“ statt, sei es in der Aussprache oder dem grammatischen Geschlecht, diese Wörter werden als deutsch und nicht unbedingt als importierte Wörter empfunden. Dieses letztere Phänomen ist besonders interessant: die Garage, die Visage usw. In der Ausgangssprache Französisch sind Wörter mit dieser Endung immer maskulin (-age < lateinisch -aticu(m)), auch als Importwörter etwa im Italienischen (villaggio, personaggio usw.) und Spanischen (garaje, peaje). Im Portugiesischen allerdings sind entsprechende Lehnwörter auf -agem (immer auf dem a- betont), vergleichbar mit dem Deutschen, feminin: garagem, personagem usw. Hier handelt es sich um das als „falsche Freunde“ bekannte Phänomen. In älteren Entlehnungen, vor allem auch aus dem Lateinischen (Typ Münze, Keller, Speicher, Wein, Kiste usw.) ist die Integration so weit fortgeschritten, dass man nichts „Fremdes“ mehr verspürt. Auf die Eigennamen bezogen tun sich hier von Köln bis München, von Hans bis Maik weite Betätigungsfelder auf, aber auch andere Aussprachephänomene wie, nur zum Beispiel, Amalie gegenüber Natalie (mit drei verschiedenen Betonungsmöglichkeiten) gehören in diesen weiten Themenbereich.

 

 

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