Die Leipziger Romanistik hat eine mehr als 160-jährige Tradition, die von berühmten Vertreterinnen und Vertretern des Faches geprägt wurde. Leipzig war deutschlandweit die zweite Universität mit einem romanistischen Lehrstuhl. Erfahren Sie auf dieser Seite mehr über unsere Wurzeln und über unsere Lehr- und Forschungsschwerpunkte als zugleich traditionsbewusste und innovatorische Disziplin.

Zur Geschichte der Leipziger Romanistik

Die Leipziger Romanistik gehört zu den traditionsreichsten in Deutschland. Sowohl in der Sprachwissenschaft als auch in der Literaturwissenschaft darf sich die Leipziger Romanistik in eine Genealogie berühmter Vertreterinnen und Vertreter des Faches einschreiben. An diese Tradition passionierter Wissenschaftler anknüpfend, die mit den Namen Hugo Schuchardt, Walter von Wartburg und Werner Krauss verbunden ist, versteht sich die Leipziger Romanistik auch heute zugleich als transnationale, transdisziplinäre, innovatorische und traditionsbewusste Disziplin, deren Hauptinteresse in der steten Aufrechterhaltung der Lust am Erforschen der Sprachen und Kulturen der romanischen Länder besteht.

Die Beschäftigung mit romanischen Sprachen und ihren Kulturen lässt sich in Leipzig wie an anderen Universitätsstandorten schon seit dem 16. Jahrhundert nachweisen, offiziell besteht die Leipziger Romanistik jedoch erst seit 1862, als der erste Lehrstuhl für romanische Philologie – besetzt mit Adolf Ebert – eingerichtet wurde. Ebert war Herausgeber des Jahrbuchs für romanische und englische Literatur, der ersten literaturwissenschaftlichen Zeitschrift für romanistische Forschungen. Nach der Universität Halle (1833) war Leipzig damit die deutschlandweit zweite Universität mit einem Lehrstuhl für romanische Sprachen und Literatur. Die Universitäten mit längerer romanistischer Tradition – Bonn, Berlin, Marburg, München, Breslau – verfügten bis dato nämlich nur über romanistische Extraordinariate.

Um 1870 wirkte Hugo Schuchardt in Leipzig als Privatdozent, wo er sich etwa zur selben Zeit wie Ferdinand de Saussure habilitiert hatte. Er widmete sich während seiner späteren Tätigkeit an den Universitäten Halle und Graz nicht nur den romanischen Einzelsprachen, sondern auch dem Baskischen und den Kreolsprachen. Bereits in frühen Jahren bildete auch die Erforschung der rumänischen Kultur und Sprache einen wichtigen Schwerpunkt innerhalb der Leipziger Romanistik. So entstand neben dem romanistischen Lehrstuhl im April 1893 das von Gustav Weigand gegründete Institut für Rumänische Sprache der Leipziger Universität. Von 1930 bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges leitete der Schweizer Romanist Walter von Wartburg das Romanische Seminar im Romanisch-Englischen Institut und zeichnete dabei ebenso für das angegliederte Institut für rumänische Sprache verantwortlich. Bis heute ist von Wartburgs Französisches Etymologisches Wörterbuch die Basis für die lexikologische Erforschung der romanischen Sprachen.

Von 2009 bis 2011 veröffentlichte die Senatskommission zur Erforschung der Leipziger Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte (Hrsg.) in fünf Bänden die Geschichte der Universität Leipzig 1409 – 2009. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag.

Die Geschichte der Leipziger Romanistik bis 1945 beschreibt in Band 4/1 (2009) ausführlich Klaus Bochmann, Alfonso de Toro legt die neuere Geschichte dar.

Den ersten tiefen Einschnitt für das Leipziger Institut für Romanistik stellte der Zweite Weltkrieg dar, der in personeller und in wissenschaftlichen Hinsicht einen Bruch bedeutete. Walter von Wartburg kehrte auf seine Leipziger Professur nicht mehr zurück. Die Infrastrukturen waren zerstört, darunter die gesamte romanische Bibliothek und die rumänische Sammlung mit ihren wertvollen alten Drucken. Erhalten blieben hingegen glücklicherweise die alten Bestände der Universitätsbibliothek. Auch die Universitätsgebäude hatten schweren Schaden erlitten. Noch bis in die sechziger Jahre hörte man Vorlesungen der Romanistik in der imposanten Halbruine der alten Universität oder in der für das Romanische Institut angemieteten Wohnung in der Gletschersteinstraße nahe dem Völkerschlachtdenkmal. Dennoch kamen in den ersten hoffnungsvollen Jahren nach dem Krieg, die einen Neuanfang versprachen, erneut bedeutende Gelehrte nach Leipzig. Walter von Wartburg wurde in der allerersten Zeit durch seinen Schüler Kurt Baldinger vertreten. Jean Fourquet, einer der großen Vertreter der funktionalen Sprachwissenschaft, lehrte hier bis 1949 strukturelle Phonologie.

Den eigentlichen Neubeginn für die Romanistik aber stellte die Berufung des Literaturwissenschaftlers Werner Krauss von Marburg nach Leipzig im Jahre 1947 dar. Krauss begründete die Leipziger Forschungen zur Literatur der französischen und deutschen Aufklärung und rief eine bedeutende Forschung zur spanischen Literatur des Siglo de Oro ins Leben. Seine Schüler Manfred Naumann, Werner Bahner und Kurt Schnelle führten die von Krauss initiierten Forschungslinien zunächst in Leipzig selbst und dann später auch in der Berliner Akademie der Wissenschaften fort. Nach dem Weggang von Krauss nach Berlin leitete von 1962 bis 1967 der Philologe Werner Bahner, ein Vollromanist mit Schwerpunkten in der französischen, spanischen und rumänischen Sprach- und Literaturwissenschaft, das Romanische Institut. In seiner Ära sind vor allem drei Forschungsschwer-punkte hervorzuheben: die Fokussierung auf Kontinuitäten und Diskontinuitäten der romanischen Sprachwissenschaft, die zahlreichen Untersuchungen zur romanischen Literatur der Aufklärung und die Neubegründung der Rumänistik in Leipzig.

Bedeutende Folgen für die Leipziger Romanistik hatte die Hochschulreform von 1969. Sie verteilte die romanistischen Lehrstühle auf die neu geschaffenen Sektionen Theoretische und Angewandte Sprachwissenschaft sowie Germanistik und Literaturwissenschaft und zerriss damit die Einheit der Romanischen Philologie. Die beiden Teile der Romanistik entwickelten sich auch deshalb nach 1969 unterschiedlich: Der Bereich Literaturwissenschaft unter Leitung des letzten Direktors des Romanischen Instituts, Kurt Schnelle, blieb personell bis 1989 auf einen kleinen Kreis von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beschränkt und brachte Veröffentlichungen vor allem zur spanischen und lateinamerikanischen sowie zur modernen französischen und portugiesischen Literatur hervor. In der romanischen Sprachwissenschaft waren drei Hochschullehrer tätig: Klaus Bochmann für französische, rumänische und italienische Sprachwissenschaft, Johannes Thiele für gesamtromanische Sprachwissenschaft und Gerd Wotjak für spanische, lateinamerikanische und französische Sprachwissenschaft. Wotjak lehrte später am Institut für Angewandte Linguistik und Translatologie. Internationale Anerkennung erlangten in den achtziger Jahren die Leipziger romanistische Soziolinguistik, die Rumänistik, die Kreolistik und Afrolusitanistik, der deutsch-spanische Sprachvergleich und die spanische Verbsemantik. Wie auch heute, wurde in Leipzig schon vor 1989 in allen romanischen Sprachfächern ausgebildet, vom Französischen übers Spanische, Italienische, Portugiesische bis hin zum Rumänischen und Katalanischen. Auch vereinzelte Veranstaltungen zum Galicischen und Korsischen wurden stets angeboten.

Didaktisch-methodische Schwerpunkte in der Lehrerbildung wurden im Bereich Fremdsprachenmethodik vom akademischen Mittelbau unter Leitung einer übergreifenden slawistischen Professur verantwortet.

In der Zeit der Neustrukturierung nach der Wiedervereinigung Deutschlands ab 1990 wurden am 2. Dezember 1993 die Universitätsinstitute, darunter auch das Institut für Romanistik an der Philologischen Fakultät, neu gegründet. Mit der Berufung von zwei Professoren für romanistische Sprachwissenschaft, Klaus Bochmann und Eberhard Gärtner, und zwei weiteren für romanistische Literaturwissenschaft, Alfonso de Toro und Edgar Mass, sowie der Ausschreibung einer Professur für Kulturstudien war eine ausgewogene Vertretung wichtiger fachwissenschaftlicher Teildisziplinen der Romanistik gegeben, die ihr an der Universität Leipzig eine sichere Perspektive erlaubte. In der Linguistik lagen die Schwerpunkte auf Forschungen zur Syntax des Spanischen und Portugiesischen sowie zur Sprachvariation des Portugiesischen in Verantwortung von Eberhard Gärtner. Klaus Bochmann konzentrierte seine Studien mit Forschungsprojekten zur Frankophonie in Kanada und zum gesprochenen Rumänisch in der Historischen Moldau auf die Gebiete der Soziolinguistik und Varietätenlinguistik. Edgar Mass richtete seine Forschungstätigkeit auf die Montesquieu-Forschung aus.

Alfonso de Toro schließlich verkörperte eine moderne kulturwissenschaftlich ausgerichtete Literaturwissenschaft, die sich im Rahmen zahlreicher Projekte den Forschungsfeldern der Postmoderne, der Postkolonialität, der Transmedialität, Hybridität und Migrationsforschung ebenso wie der Borges-Forschung, der Theater-Forschung (Frankreich, Spanien und Lateinamerika) und der Frankophonie-Forschung (Maghreb und Québec) widmete.

Das didaktische Lehrangebot wurde zunächst weiterhin vom akademischen Mittelbau abgesichert. Ab 1995 öffneten die Inhaberinnen und Inhaber der Didaktik-Professur am Herder-Institut der Universität Leipzig ihre Vorlesungen und Seminare für die romanistischen Lehramtsstudierenden. 2004 wurde die Struktur am Institut für Romanistik dann dahingehend verändert, dass die Bereiche Literaturwissenschaft und Kulturstudien für jeweils zwei Philologien als Schwerpunkte in den beiden literaturwissenschaftlichen Professuren zusammengeführt wurden. Damit eröffnete sich die Möglichkeit, eine eigene romanistische Fachdidaktik-Professur zu gründen. So wurde angesichts der starken Dominanz der Lehramtsstudierenden zum einen der Bedarf an wissenschaftsorientierter Fachdidaktik in den drei Schulsprachen Französisch, Spanisch und Italienisch gedeckt und zum anderen didaktische Forschung initiiert. Die Professur wurde zunächst vertreten und 2007 mit Christiane Neveling besetzt.

Nach dem Ausscheiden von Edgar Maas im Jahr 2000 und von Klaus Bochmann 2004 wurden die beiden Professuren mit Uta Felten (Französische, frankophone und italienische Literaturwissenschaft und Kulturstudien) und Elisabeth Burr (Französische, frankophone und italienische Sprachwissenschaft) neu besetzt. Uta Felten bereichert das Fach seitdem mit ihren intermedial ausgerichteten Schwerpunkten in der Proust-Forschung und im modernen Kino der Romania, während Elisabeth Burr ihre Schwerpunkte im Bereich der Korpuslinguistik und der Digital Humanities setzte. Sie rief zudem 2009 die Europäische Sommeruniversität in Digitalen Geisteswissenschaften „Kulturen & Technologien“ ins Leben.

Nach dem Ausscheiden von Alfonso de Toro ist die Professur für Romanische Literaturwissenschaft und Kulturstudien mit den Schwerpunkten Hispanistik und Lusitanistik seit 2018 mit Jobst Welge neu besetzt. Die Nachfolge von Eberhard Gärtner, der bereits 2007 emeritiert worden war, trat nach mehrjährigen Vertretungen, ebenfalls im Jahr 2018, Benjamin Meisnitzer an (Professur für Romanische Sprachwissenschaft mit den Schwerpunkten Hispanistik und Lusitanistik). Im April 2021 wird die Professur für Romanische Sprachwissenschaft mit den Schwerpunkten Französistik und Italianistik nach der 2019 erfolgten Emeritierung von Elisabeth Burr neu besetzt mit Klaus Grübl.

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