(20.6.1939-23.11.2021)

Kurzprofil

  • 1999 – 2006
    Sprecherin der DFG-Forschergruppe 349 Sprachtheoretische Grundlagen der Kognitionswissenschaft, sprachliches und konzeptuelles Wissen
  • 1992 – 2004
    Professorin (C4) für Allgemeine Sprachwissenschaft an der Universität Leipzig
  • seit 1991
    Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften
  • 1987 – 1992
    o. Professorin für Allgemeine Sprachwissenschaft an der Karl-Marx-Universität Leipzig
  • 1984 – 1987
    ao. Professorin für Allgemeine Sprachwissenschaft an der Karl-Marx-Universität Leipzig
  • 1978
    Habilitation (Temporale Bedeutung im Deutschen)
  • 1966
    Promotion (Gradation der Grammatikalität und stilistische Adäquatheit - dargestellt an moderner deutscher Poesie)
  • 1957 – 1962
    Studium der Anglistik und Romanistik an der Philosophischen Fakultät der Karl-Marx-Universität Leipzig

Prof. Dr. Anita Steube war eine erstklassige Linguistin; sie war eine ebenso engagierte wie faire Forschungsorganisatorin; sie war eine gleichermaßen motivierende und behutsame Förderin des wissenschaftlichen Nachwuchses; sie spielte eine ganz wesentliche Rolle bei der Neuorganisation der Universität Leipzig in der Nachwendezeit, in der sie schwierigste Probleme mit Geschick und Beharrlichkeit löste, immer mit Blick auf die Menschen hinter den Problemen; und sie war eine zentrale Figur bei der Aufrechterhaltung, Neugründung und Weiterentwicklung der Linguistik in Ostdeutschland. Sie war ein Glücksfall für die Universität Leipzig, für die Sprachwissenschaft, und für die Sprachwissenschaft an der Universität Leipzig.

Anita Steube studierte von 1957 bis 1962 an der Universität Leipzig Anglistik und Romanistik. Ihre Dissertation von 1966 behandelte gradiente Grammatikalität und stilistische Adäquatheit auf der Grundlage einer transformationsgrammatischen Untersuchung moderner deutscher Lyrik; in ihrer Habilitation von 1978 ging es um die Semantik von Tempus. Ihre Hauptforschungsgebiete waren Syntax, Semantik und Pragmatik, mit Arbeiten u.a. zu Themen wie Konnektoren, Fragesätze, Aspekt, indirekte Rede, sekundäre Prädikate, Adverbien, Passiv, Reflexivierung, freie Relativsätze und Pronominaladverbien; aber sie hat sich in ihren Publikationen auch mit der Morphologie beschäftigt, und mit prosodischen Aspekten der Phonologie. Darüber hinaus war die Textlinguistik ein Bereich, der ihr nicht nur besonders in der Lehre, sondern auch in der Forschung etwas bedeutete. Die Untersuchungen erfolgten häufig mit Schwerpunkt auf dem Deutschen, zum Teil aber auch anderen Sprachen (wie Russisch oder Französisch), immer aber mit Ausrichtung auf die sprachvergleichende Perspektive.

Dasjenige Gebiet jedoch, das ihr vor allen anderen am meisten am Herzen gelegen hat, war die Informationsstruktur. Hier hat sie wichtige Forschungsergebnisse erzielt, z. B. zu Hutkonturen (Intonationstopikalisierung), Kontrast, Prosodie, Fokus, Fokuspartikeln, Negation, usw.; und hier hat sie wesentlich dazu beigetragen, dass das Thema heute so eine große Bedeutung in der Linguistik hat. Sie hat dazu eine Buchreihe herausgegeben („Language, Context and Cognition“); und die Informationsstruktur war ein zentraler Untersuchungsgegenstand in der von ihr geleiteten DFG-Forschungsgruppe „Sprachtheoretische Grundlagen der Kognitionswissenschaft“ (1999-2007) und dem DFG-Graduiertenkolleg „Universalität und Diversität“ (1997-2006).

Vernetzung und Interdisziplinarität der Forschung waren Anita Steube immer ein großes Anliegen. So hat sie etwa sichergestellt, dass in den um sie herum gebildeten kooperativen Forschungsunternehmungen neben Sprachwissenschaftler:innen aus den Philologien (Anglistik, Slavistik, Romanistik) auch Kolleg:innen aus Informatik, Psychologie und Logik/Philosophie gleichberechtigt partizipierten; und ebenso war es ihr wichtig, mit dem Phänomen Sprache befasste Abteilungen der in Leipzig ansässigen Max-Planck-Institute einzubinden (wobei sie bereits bei der ursprünglichen Etablierung des Department of Linguistics am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie eine wichtige Rolle gespielt hatte).

Nach ihrer Emeritierung 2004 hat sie weiterhin das Institut für Linguistik begleitet und aktiv zu Forschung und Lehre beigetragen; und sie hat auch nicht aufgehört, sich für die Belange der Philologischen Fakultät, der Universität und der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu interessieren und einzusetzen. Zum 20-jährigen Jubiläum des von ihr wiedergegründeten Institutes für Linguistik gab es im Dezember 2018 eine Festveranstaltung mit Vorträgen von einigen ihrer früheren, heute im Fach sehr erfolgreichen Studierenden; und aus Anlass ihres 80. Geburtstags wurde im Juni 2019 ein Workshop ausgerichtet, in dem die Relevanz ihrer Forschungen für die gegenwärtige Linguistik herausgearbeitet wurde. Beides Mal hat Anita Steube die Vorträge hellwach und mit messerscharfem Verstand (sowie dem sie auszeichnenden trockenen Humor) verfolgt und kommentiert.

Wir sind sehr traurig, dass sie nun nicht mehr da ist, und werden sie und ihre Beiträge zur Erforschung der Sprache sehr vermissen.

Prof. Gereon Müller

Ausgewählte Publikationen

  • Steube, A. (ed)
    Information Structure, Theoretical and Empirical Aspects
    Berlin, New York: de Gruyter. 2004.
  • Steube, A.
    Bridge Contours in German Assertive Main Clauses
    In: W. Abrahm, I. Molnarfi (eds): Optionality in Syntactic Discourse Structure - Aspects of Word Variation in (West-) Germanic and other Indo-European Languages. Folia Linguistica 37, 1/2. 2003. 215 – 249
  • Steube, A.
    Correction by Contrastive Focus
    In: Theoretical Linguistics 27, 2/3. 2003. 215 – 249
  • Steube, A.
    Ein kognitionswissenschaftlich basiertes Modell für Informationsstrukturierung
    In: Ch. Römer, J. Bayer (Hrsg): Von der Philologie zur Grammatiktheorie. P. Suchsland zum 65. Geburtstag.
    Tübingen: Niemeyer. 2000. 213 – 238

Forschungsschwerpunkte: Modulare Grammatiken, Syntax- und Semantiktheorie mit Hinblick auf Informationsstrukturierung und Textkohärenz
 

  • Forschergruppe Sprachtheoretische Grundlagen der Kognitionswissenschaft
    Steube, Anita
    Laufzeit: 10.1999 – 04.2007
    Mittelgeber: DFG
    Beteiligte Organisationseinheiten der UL: Institut für Slavistik, Institut für Logik und Wissenschaftstheorie
  • Syntax der C-Domäne
    Steube Anita
    Laufzeit: MM.2000 – MM.2003
    Mittelgeber: DFG