Unter dem inoffiziellen Motto „Übersetzen macht mehr Spaß, wenn man mindestens zu zweit ist“ nahmen Studierende aus dem Masterstudiengang Translatologie und Lehrende vom Institut für Angewandte Linguistik und Translatologie (IALT) zusammen mit anderen Interessierten aus verschiedenen Berufen und Studienfächern an einem Workshop im Rahmen des Festivals euro-scene Leipzig teil.
Übersetzen macht mehr Spaß, wenn man mindestens zu zweit ist
Unter dem inoffiziellen Motto „Übersetzen macht mehr Spaß, wenn man mindestens zu zweit ist“ nahmen Studierende aus dem Masterstudiengang Translatologie – Anton Kalms, Judith Witzmann, Nicola Bieber, Paulina Rübenstahl und Philippe Barbier – und zwei Lehrkräfte des Instituts für Angeandte Linguistik und Translatologie (IALT) – Mathilde Massuard und Henrike Rohrlack – zusammen mit anderen Interessierten aus verschiedenen Berufen und Studienfächern an einem Workshop im Rahmen des Festivals euro-scene Leipzig teil. Der Workshop mit dem Titel „Spielmaterial übersetzen“ – ein dramaturgisch-übersetzerischer Workshop“ fand am 8. und 9. November 2023 im Theater Schille statt. Unter der Leitung der Regisseurin und Autorin Leyla-Claire Rabih und des Übersetzers und Journalisten Frank Weigand wurden Textauszüge aus der gerade entstehenden Theaterproduktion „OST“ von Leyla-Claire Rabih und Élie Youssef übersetzt. Gearbeitet wurde dabei sowohl im Plenum – zu fünfzehnt – als auch in kleineren Gruppen, jeweils mit den Sprachen Französisch, Deutsch und Arabisch. Einige der Texte waren bereits Eigenübersetzungen aus dem Deutschen bzw. Französischen und wurden im Workshop in die jeweils andere Richtung rückübersetzt. Dieses Vorgehen war als Teil des kreativen Prozesses bei der Produktion des Stücks von der Autorin und dem Übersetzer von vornherein so angelegt.
In jedem Kollektiv eröffneten sich im Laufe des Übersetzungsprozesses – bedingt durch die recht heterogenen Erfahrungen und Hintergründe der Teilnehmenden – teilweise sehr unterschiedliche Perspektiven auf den Text. Form und Sprechbarkeit hatten häufig Vorrang vor dem Inhalt. An erster Stelle im Arbeitsprozess stand die Entscheidung für eine Übersetzungsstrategie, die in jeder Gruppe und für jeden Textauszug stringent verfolgt werden sollte – alles Überlegungen und Ansätze, die auch Übersetzerinnen von Gebrauchstexten nicht ganz fremd sind, die aber an den Theatertexten um einiges plastischer wurden.
Jede Übersetzung ist ein Crashtest für den Ausgangstext
Im Unterschied zum üblichen Vorgehen in der Übersetzungslehre und -praxis wurden die Workshop-Teilnehmenden zunächst nicht in die Entstehungsgeschichte des Stücks, die Bezüge zu wirklichen Gegebenheiten und den Zusammenhang zwischen den einzelnen Teiltexten eingeweiht. Die Texte fügten sich erst im Übersetzungsprozess wie Puzzleteile zu einem Ganzen und ließen auch dann erst Rückschlüsse auf ihren realen Gehalt zu. Besonders spannend war dabei, zu beobachten, wie befreiend sich diese Ungewissheit auf die übersetzerische Arbeit auswirkte und wie viele Deutungsmöglichkeiten in den Texten entdeckt werden konnten, die von der Autorin mit größtem Vertrauen unserer Interpretation überlassen wurden. Teilweise wurden im Zuge der Übersetzungsarbeit sogar die Ausgangstexte noch einmal geändert. Frank Weigand formulierte es so: „Jede Übersetzung ist ein Crashtest für den Ausgangstext“.
Eine weitere Besonderheit bestand darin, dass es nicht für alle Teilnehmenden zwingend erforderlich war, die Ausgangssprachen Französisch oder Arabisch zu verstehen, da ja systematisch in Tandems oder größeren Gruppen gearbeitet wurde. So beteiligte sich ein Arabisch-Dolmetscher an unseren Übersetzungen aus dem Französischen und eine der Studentinnen übersetzte mit ihm gemeinsam aus dem Arabischen.
Fazit
Als große Bereicherung empfanden die Studierenden die verschiedenen beruflichen Hintergründe der Teilnehmenden (Literatur- und Theaterübersetzerinnen mit Berufserfahrung, Studierende der Translatologie und der Theaterwissenschaften), die die Arbeit mit den Texten und die immer sehr lebhaften Diskussionen um verschiedene Lösungen stark beeinflussten. Auch die Möglichkeit des persönlichen Austauschs mit den schon erfahrenen Theaterübersetzerinnen in den Arbeitspausen wurde sehr dankbar angenommen.
Eine ausgesprochen positive Erfahrung für uns Lehrkräfte war darüber hinaus die Begegnung mit den Studierenden in diesem völlig anderen, eher informellen Kontext, in dem es nicht um Lehren und Lernen im üblichen Sinn, sondern vielmehr um das gemeinsame Arbeiten und das gegenseitige Beobachten ging.
Am Ende des zweiten Arbeitstages (viel zu schnell erreicht!) wurden die entstandenen Texte gemeinsam dramaturgisch bearbeitet und anschließend von den Teilnehmenden auf der Bühne des Theaters Schille als szenische Lesung vorgetragen. So ging die Arbeit weit über das Übersetzen hinaus: Das charmante kleine Theater bot mit seinem Zuschauersaal, der Bühne und dem Café einen wunderschönen Rahmen für ernsthafte Arbeit, fröhlichen Austausch und lebendiges Theatermachen.
Wir bedanken uns herzlich bei unseren Studierenden für ihre Begeisterung und ihren unglaublichen Arbeitseifer, bei Leyla und Frank für ihr großes Vertrauen und ihre wertvollen Ratschläge, bei Christian Watty und Maria Bornhorn von der euro-scene Leipzig für die fantastische Möglichkeit, die sie uns mit dem Workshop geboten haben, und bei den Verantwortlichen vom Theater Schille für ihre Fürsorge und literweise sehr guten Kaffee.
Henrike Rohrlack und Mathilde Massuard